Ohnmacht, Schock, Unfälle
Meist harmlose, ungefährliche Ohnmachtsereignisse, erleiden fast 50 % aller Kinder zumindest einmal. Es gilt, aus zahlreichen harmlosen Ohnmachten die gefährlichen oder behandlungsbedürftigen herauszufinden. Synkopen (Ohnmachten) entstehen meist durch die ungenügende Versorgung des Gehirns mit frischem Blut. Tritt ein abrupter Stopp ein, beginnt auch die Bewusstlosigkeit abrupt. Wird die Durchblutung gedrosselt, entwickeln sich Unwohlsein, Schwindel, Schwarzwerden vor Augen und letztlich die Ohnmacht schrittweise.
Die einfache Ohnmacht (Vasovagale Synkope)
Ein Vagusreiz führt zur Pulsverlangsamung bis zum kurzen Stopp, dadurch Schwitzen, flaues Schwächegefühl, Blässe, Schwarzwerden vor Augen, Verlust von Muskeltonus und Bewusstsein mit Umsinken oder Sturz. Teilweise werden die Augen verdreht, es kommt zur kurzen Versteifung des Körpers (tonische Synkope) oder kurzen Zuckungen (klonische Synkope). Es folgt die rasche Reorientierung binnen Minuten, nur manchmal leichte Müdigkeit, Tätigkeiten können fortgesetzt werden. Erinnerung besteht bis direkt vor und direkt nach der Ohnmacht. Ursachen sind: Stehen, Hitze, Hunger, Erschöpfung, Schmerz, Schreck, Angst, Blut abnehmen, Husten, Gewichtheben, Erbrechen, bei Kindern auch heftiger Affekt mit Freude, meist aber Ärger, mit und ohne absterbendem Schrei in Ausatmung (cyanotischer Affektkrampf).
Schnellen Herzschlag und Schwindel nach dem Aufstehen bemerken vor allem Jugendliche. Der Sympathikus soll das Versacken des Blutes in Bauch und Beine durch die Schwerkraft verhindern und es kommt zur Pulsbeschleunigung. Trotzdem, bei vorbestehend niedrigem Blutdruck, kommt es zu leichter Durchblutungsminderung des Gehirns mit Schwindel, bis die Kreislaufanpassung gelingt. Bereits nach wenigen Sekunden legt sich das mulmige Gefühl. Langsames Aufstehen reicht zur Vermeidung des Schwindels meist aus oder man setzt sich nochmals hin. Ein weiteres Jugendphänomen ist der Blutdruckabfall bei längerem Stehen. Daraus kann eine Ohnmacht erwachsen. Hier helfen täglicher Ausdauersport und Training.
Die gefährliche Ohnmacht (kardiale Synkopen)
Dies sind Rhythmusstörungen des Herzens mit dem Risiko eines lebensbedrohlichen Ereignisses durch abnorm langsamen, abnorm schnellen oder ganz ausbleibenden Herzschlag. Entscheidend ist die genaue Verlaufsbeschreibung: Eine Ohnmacht mitten aus Bewegung und Tätigkeit heraus ist ungewöhnlich, weiterhin das Fehlen jeglicher Vorgefühle, Ohnmacht im Liegen oder Ohnmacht mit Gesichtsverletzung. Manchmal wird über schnellen Puls oder Herzstolpern berichtet, manchmal über Vorfahren mit akutem Herztod. Erhöhtes Risiko haben Kinder mit bekanntem Herzfehler oder nach Herzoperation, nach Kawasaki-Syndrom (einer seltenen Entzündungskrankheit mit Schädigung der Herzkranzgefäße) oder Lungenerkrankung, Medikamente mit QT-Verlängerung (z. B. Psychopharmaka, einige Antibiotika, Mittel gegen Erbrechen usw.). Per EKG sind etliche angeborene oder erworbene Rhythmusstörungen zu erkennen, mittels Herzecho weitere erworbene oder angeborene Herzkrankheiten. Viele Rhythmusstörungen finden sich nur über ein 24-Stunden-EKG oder Ableitungen über Tage und Wochen.
Behandelbare Ohnmachten
Seltene Ursachen sind epileptische Anfälle, Narkolepsie, Basilaris-Migräne, Unterzuckerung, Sauerstoffmangel des Blutes oder vermehrte Atmung mit Verringerung der Gehirndurchblutung (Hyperventilation).
Der Schock
Der Körper kann nicht mehr genug Sauerstoff bereitstellen, um die lebenswichtigen Organe zu versorgen. Im ersten Schritt versuchen die Organe, ohne Sauerstoff auszukommen (anaerob). Dadurch entsteht rasche Erschöpfung, Übersäuerung, Funktionsstörung und Funktionsverlust, dann Gewebeschädigung, die zunächst wiederherstellbar ist, dann nicht mehr. Am Ende steht das Multiorganversagen und der diffuse Zelltod. Häufigste Form ist der Volumenmangelschock (es fehlen Blut oder Flüssigkeit). Ursachen sind Blutverluste oder starke Flüssigkeitsverluste (Durchfall, Erbrechen, Verbrennungen, Schwitzen). Die Betroffenen zeigen sehr schnellen Puls, schnelle Atmung, große Schwäche, blasse Extremitäten (Zentralisierung), niedrigen Blutdruck, Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit.
Eine weitere und verwandte Schockform entsteht durch das diffuse Versacken und Verschwinden der Blutflüssigkeit nach Verlust der Gefäßwandspannung und/oder sich öffnender Kapillarlecks. Dieses sogenannte innere Verbluten ereignet sich bei allergischen oder toxischen Gefäßschäden. Die Haut ist diffus rot, schwillt an (Gesicht), schneller Puls, schnelle Atmung, niedriger Blutdruck, Schwäche, Ohnmacht, manchmal Durchfall.
Die dritte Schockform entsteht durch ein Pumpversagen des Herzens (Herzschwäche). Blässe, Blauverfärbung, Luftnot und beschleunigte Atmung treten auf (Bild ähnlich einer Synkope), ebenso niedriger Blutdruck, Herzgeräusche, Rhythmusstörungen. Die vierte Schockform entsteht durch die Blockade des Blutflusses in Herz, Lungen oder großen Gefäßen. Beispiele sind die Lungenembolie, Erkrankungen der Hauptschlagader oder Thrombosen. Das Herz pumpt vergeblich gegen einen Widerstand und erschöpft sich rasch im Pumpversagen: akuter Schmerz, Luftnot, Benommenheit, Blauverfärbung. Schließlich gibt es den septischen Schock, also die entzündlich und durch Erreger verursachte Blutflussstörung. Es kombinieren sich Pumpversagen, inneres Verbluten und Gewebeschäden: Fieber, periphere Blässe oder Rötung, sehr rascher Puls, rasche Atmung, Blutdruckabfall.
Die Rettungskette
Grundsätzlich ist der Krankheitsverlauf beim Schock schnell und damit schnell unumkehrbar. Will man das Geschehen aufhalten und das betroffene Kind retten, so braucht es eine intakte Rettungskette: also schnell die bedrohliche Situation erkennen und melden, schnell die/den Betroffene:n stabilisieren und transportieren, schnell in einer Intensiveinheit mit Fachleuten und guter Technik behandeln. Das schwächste Glied entscheidet über Erfolg oder Misserfolg.
Unfallvermeidung
Nachdem das Kleinkind mobil wird, geht man durch die Wohnung und sucht nach Unfallrisiken: Sind die Steckdosen gesichert, die Heizkörper geschützt, keine Kabel zum Herunterziehen und keine Tischdecken mit Vasen darauf vorhanden? Weitere heikle Punkte: Treppen, Tischkanten, elektrische Geräte, Schubladen zum Einklemmen der Finger, Türen zum Einklemmen der Zehen, alles Heiße, Spitze, Hohe, Schwere, Glas, Gift, Spülmaschinenreiniger, Spülmittelflaschen, Medikamente, Münzen, Kleinteile zum Verschlucken, Messer, Gabel, Schere, Licht usw. Zimmer für Zimmer wird die Einrichtung neu bewertet (aus Kindersicht), auch Garten und Pflanzen. Wie wird das Kleinkind zum sicheren Begleiter im Auto, mit dem Fahrrad, zu Fuß? Wie anders werden Verkehrsteilnehmer:innen bewertet, wenn im eigenen Auto oder im Fahrradanhänger mein Kind sitzt, es an der Hand geht oder selbst laufen will.
„Unfallkinder“
Kinder, die noch nicht laufen können, laufen trotzdem los. Wackelig und vorsichtig, mit kontrolliertem Sturz auf den dick verpackten Hintern oder tollkühn schnell, noch im Stürzen lachend, mit unzähligen Beulen – und fast immer auf den Kopf. Täglich gibt es vielfaches, schnell vergessenes Leid oder ängstlich vorsichtiges Festhalten. Später wird draußen getobt, bis es blutet, oder gesittet gespielt ohne Fleck auf der Hose. Kein Baum zu hoch, kein Hang zu steil, kein Wasser zu tief oder skeptische Abwägung sowie erste Kritik an den „viel zu risikobereiten Eltern“. Diese sollen und müssen lernen, die Kritik der vorsichtigen und der kühnen Kinder zu ertragen, und weiter ihre eigenen Entscheidungen treffen. Unfallkinder lassen sich nicht zuverlässig schützen, die (über)vorsichtigen Kinder lassen sich nicht gerne drängen.
Verbrennungen und Verbrühungen
In 50 % der Fälle sind Kinder unter fünf Jahren betroffen, meist sind Kaffee, Tee oder Suppe verantwortlich. Jede Verbrennung, die über 10 % der Haut betrifft, ist ein Notfall, ebenso heißer Dampf, heißer Rauch oder Stromverletzungen. Die Erstmaßnahme bei Feuer besteht aus Ersticken der Flammen durch Wälzen am Boden und Zupacken mit Kleidern oder Decken, dann Kleidung entfernen und mit Leitungswasser 30 Minuten kühlen. Verbrühungen und Verbrennungen über 15 bis 20 % rechtfertigen den Notruf (112). Es braucht Infusion, Schmerztherapie, gute Erstversorgung und einen raschen Transport ohne Auskühlung.
Die Therapie ist abhängig vom Umfang der Verbrennung und von den individuell bevorzugten Techniken: Operation mit Abtragen aller Blasen, eventuell Kunsthaut und fester Verband oder tägliche Salbenbehandlung. Besonders in den Handflächen nur die Spannungsblasen zurückhaltend eröffnen. In den Verbrennungszentren überleben heute Menschen mit über 70 % Verbrennung und werden gut wiederhergestellt. Dringlich sind bei großflächigen Verbrennungen die Infusionsbehandlung und die Kreislaufstabilisierung in der Klinik – niemals zu Hause.
Ertrinkungsunfälle
Zwei Häufigkeitsgipfel bei mobilen Kleinkindern sind Gartenteich, Pool und Badewanne, dann die jugendlichen Taucher:innen im Schwimmbad oder mutige Flussschwimmer:innen. Selten ertrinken Kinder und Jugendliche beim Wassersport mit Kajak oder Surfbrett, denn hier gehört gute Ausrüstung und gutes Schwimmtraining dazu. Epilepsie erhöht das Ertrinkungsrisiko um bis zu Faktor 20, Alkohol und Drogen um den Faktor X. Extrem kaltes Wasser löst auch bei guten Schwimmer:innen binnen kürzester Zeit Schwimmunfähigkeit und rasches Ertrinken aus. Die wenigen Beispiele der „Eismeerschwimmer:innen“ entstehen durch eine Mischung aus besonderer Konstitution und hartem Training. Übrigens sind auch kleine Bäche gefährlich kalt. Entscheidend für das Überleben ist die rasche und richtige Wiederbelebung nach der Bergung und prognostisch günstig ist die rasche Wiedererlangung des Bewusstseins nach dem Ertrinkungsunfall. Unfallverhütung gelingt durch Schwimmenlernen, Schwimmwesten oder kleine Ballons, Poolsicherungen und Wiederbelebungskurse, lückenlose Aufsicht und manchmal Verbote.