Vorwort

Neugeborene und Säuglinge

Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Behinderung, Erziehung, Förderung, Rehabilitation und ärztliches Handeln

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Behinderung, Erziehung, Förderung, Rehabilitation und ärztliches Handeln

Hat mein Kind einen Geburtsschaden?

Vor etlichen Jahren wurde bei 5 – 10 % der Kleinkinder eine sogenannte minimale zerebrale Dysfunktion gesehen und in aller Regel einem Sauerstoffmangel unter der Geburt angelastet. Eine Fehleinschätzung. Heute wissen wir, dass es keinen heimlichen Hirnschaden gibt. Kinder nach geburtsbedingter Hirnschädigung sind akut und gut sichtbar krank. Sie trinken nicht, bewegen sich auffällig oder auffällig wenig, sind benommen oder bewusstlos. Ein gestresstes Kind nach schwerer Geburt, das sich rasch in wenigen Stunden erholt und gut trinkt, hat zuverlässig keine Hirnschädigung erlitten.

Vorgeburtlich geschädigte Kinder bewältigen den Geburtsstress nicht gut und kommen akut krank zur Welt. Für diese Kindergruppe gilt es zu klären, ob die Geburt oder eine vorgeburtliche Ursache zur Hirnschädigung geführt haben. Etliche technische Untersuchungen vermögen diese Fragestellung meist sicher zu klären.

Kommt es zur Geburtsschädigung mit Sauerstoffmangel, sind die neonatologischen Möglichkeiten weit besser als früher. Mittels EEG lassen sich Prognosefaktoren finden. Etlichen Kindern gelingt dann doch eine unauffällige Entwicklung. Egal wie schnell und umfassend die Entwicklung gelingt: Wir Ärzt:innen begleiten das Kind auf seinem Weg.

Gibt es den Verdacht auf einen Behandlungsfehler, so lohnt nachfolgendes Vorgehen: Die Eltern (und eventuell ein Beistand) suchen das Gespräch mit dem/der Chefarzt/-ärztin der betroffenen Abteilung, um den Ablauf zu klären. Ergibt das Gespräch keine ausreichende Sicherheit, wird über eine:n Rechtsanwält:in die Krankenakte erbeten und die Gutachterkommission der Ärztekammer eingeschaltet. Danach beginnt die gerichtliche Aufarbeitung. Egal wie der Prozess endet: Die oft mehrjährigen Verfahrenszeiten mit nicht selten kränkenden juristischen Schriftwechseln belasten die Familien schwer. Sie verharren in der Opferrolle und erleiden Retraumatisierungen. Die betroffenen Ärzt:innen nehmen ebenfalls oft Schaden, manche verlassen den Beruf.

Befindet sich ein Neugeborenes in Todesnähe, kann entsprechend geltendem Recht von lebensverlängernden Maßnahmen wie Beatmung oder Medikamentengaben abgesehen werden. In etlichen Häusern wird ein sogenannter Sterbekreis gebildet mit Eltern, Pflegekräften, Ärzt:innen und Seelsorge. Dieser versucht einstimmig und im Konsens abzuschätzen, ob eine Lebensverlängerung ausschließlich zur Leidensverlängerung führt und ob das Kind eine „lebenswerte“ Zukunft haben kann. Angesichts einer behinderungsfeindlichen Leistungsgesellschaft kann dies auch als kritisches Unterfangen angesehen werden. Es gilt unbedingt, den Eltern die alleinige Verantwortung und Schuld für den Tod des Kindes nicht zuzumuten. „Nicht weiterzumachen“ ist eine sehr schwere und gemeinsame Entscheidung. Hospizkräfte können Sterbeprozess und Nachsorge für Eltern und Geschwister begleiten. „Gutes Sterben“ meint schmerzfrei für das Kind, mit Körperkontakt zu den Eltern, würdige Verabschiedung auf Station, Verarbeitungshilfen für die Familie, oft auch für die Bezugspflegekräfte auf Station bei längerem Krankheitsverlauf. Keine Religion kann uns den richtigen Weg an der Lebensgrenze exakt vorgeben. Wir müssen ihn immer wieder neu und jede:r für sich finden.