Wie gelingt Rehabilitation?
Vor 25 Jahren wurden die Gesundheitsdimensionen der Körperstrukturen und -funktionen, der Fähigkeiten und Partizipationsleistungen und der persönlichen und sozialen Wirklichkeit und Umwelt umfassend neu definiert und als gleichberechtigt und gleich wichtig nebeneinandergestellt. Die mehr als zwölf Berufsgruppen aus Ärzt:innen, Psycholog:innen, Pflegekräften, diversen Therapeut:innen, Pädagog:innen, Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen sollten gleichberechtigt sein. Es sollte das Vermögen des einzelnen Menschen bestimmt werden, nicht das individuelle Defizit in Korrelation zu einer Norm. Die „International Classification of Functioning“ (ICF) führte in etlichen Ländern (Skandinavien, Kanada, Schweiz) zu erfolgreichen Einstellungs- und Verfahrensänderungen in Kindergärten, Schulen und Kliniken – nicht jedoch in Deutschland.
International wurden Messverfahren an die neuen Begrifflichkeiten angepasst und der Rehabilitationsprozess wurde neu definiert. Es lohnt, die Prozessschritte zu verstehen: Ein Kind mit wenig Gesundheit lässt sich bezogen auf die verschiedenen Gesundheitsdimensionen präzise beschreiben. Hierfür benötigt es tatsächlich zehn Berufsgruppen und ca. eine Woche Arbeitszeit (nicht weniger). Diese Ist-Analyse rechtfertigt keine Rehabilitation! Vielmehr muss das Diagnostikteam Gesundheitsbereiche identifizieren, die in endlicher Zeit und mit wirtschaftlichem Ressourcenverbrauch verbessert werden können. Dies ist der eigentliche kreative Akt der Bestandsaufnahme.
Die Veränderungsbereiche werden im Team, mit den Eltern und falls möglich dem Kind besprochen und es wird abgestimmt, was von wem angegangen werden soll. Die sogenannte kooperative Vereinbarung meint, dass weder Eltern und Kind gegen den Wunsch der Helfenden noch die Helfenden gegen Eltern und Kind entscheiden. Hilfe funktioniert nur, wenn sie erhofft und gewollt wird. Vorabsprachen zwischen den Helfenden sind verboten.
Die angewandte Methode bleibt den Therapeut:innen frei überlassen. Was im Dialog mit dem Kind und bezogen auf das vereinbarte Ziel sich bewährt, darf versucht werden. Nach zwei bis drei Wochen Therapie oder Förderung wird die erreichte Veränderung gemessen – und gegebenenfalls neu verhandelt. Die Erfolge dieses Verfahrens sind enorm, die Wirklichkeit in Deutschland ist frustrierend anders: Ärzt:innen verordnen im ambulanten System Therapien oder Prozesse, die sie in der Regel gar nicht kennen und nicht begleiten können. Therapeut:innen werden zu Maßnahmen gezwungen, die eigentlich im Dialog mit dem Kind nicht passen. Die Defizite des Kindes gelten als Anlass und Begründung der Therapie, nicht die Veränderbarkeit. Die tatsächlichen Ergebnisse der Maßnahmen bleiben weitgehend unbekannt; ein bürokratischer Irrsinn stülpt sich über diesen fachlich absurden Prozess.