Herz und Kreislauf
Finden sich an Herz und Hirn Auffälligkeiten, löst dies Sorge, Angst und Schrecken aus. Bei Herz und Hirn geht die rote Lampe an.
Das Herzgeräusch
30 % der Kinder zeigen phasenweise, vor allem bei fieberhaften Infekten, ein Herzgeräusch. Es lohnt die stille Kontrolle ohne Fieber. Bleibt das Geräusch, ist die Vorstellung in der Kinderkardiologie sinnvoll, bis dahin finden Eltern keine Ruhe und ebenso will kein:e Kinderärzt:in einen relevanten Befund übersehen. Etwa 0,8 % der Kinder haben ein relevantes Vitium, also eine Störung im Bereich der Herzkammern, -klappen, -kranzgefäße oder der herznahen Gefäße. 0,2 % der Kinder zeigen bereits im Neugeborenenalter eine Herzkrankheit und bedürfen der laufenden Therapie und Diagnostik. Vor Geburt machen Herzfehler meist keine Probleme, erst nach der Umstellung des Kreislaufs. Die meisten angeborenen Herzerkrankungen sind genetisch verursacht, daneben gibt es pränatale Infektionen oder Schädigungen.
Die Herzdiagnostik verläuft wie folgt: EKG und Langzeit-EKG zur Prüfung der elektrischen Erregungswege und von Herzrhythmusstörungen, Herzecho- und Doppler zur Beurteilung von Herzkammern, Klappen und Blutflüssen; CT und MRT zeigen strukturelle Veränderungen an Herzmuskulatur und Innenräumen. Herzkatheter und Angiografie beschreiben die Herzkranzgefäße und die herznahen Gefäße. Die Bildgebung wird immer besser, komplexe Katheter erlauben kleine Herzoperationen über entfernte Gefäße und ohne Eröffnung des Brustkorbs, offene Operationen haben eine sehr hohe Qualität und Komplexität, die Herzchirurgie gilt als ausgezeichnet und die Kinderkardiologie als gut ausgestattet.
Milde Herzfehler
Sie machen kaum Alltagseinschränkungen, erlauben Sport und Freizeit. Aber die Familien der „Herzkinder“ sind erheblich belastet, etliche Kinder werden sehr eingeschränkt. Überdurchschnittlich viele Kinder mit Herzerkrankungen zeigen Entwicklungs- und Lernstörungen. Früher dachte man ursächlich an die Folgen der Operationen und der Therapie, heute geht man von genetisch mitbedingten begleitenden Störungen aus, die neben dem Herzen das kognitive Potenzial betreffen.
Impfungen sollen präzise durchgeführt werden, insbesondere gegen das Respiratorisches-Synzytial-Virus (kurz: RS-Virus) und gegen Grippe. Es gilt, bakterielle Infektionen rasch zu identifizieren und antibiotisch zu behandeln, nicht aber vorbeugend virale Krankheiten. Zahnsanierungen erfordern gute Planung und öfters ein Antibiotikum. Gute Mund- und Zahnhygiene wird empfohlen. Operationen sollen bedacht sein, Narkosesteuerung durch Expert:innen mit „Vitiumerfahrung“, im Zweifelsfall in einem klinischen Zentrum.
Puls- und Rhythmusstörungen
Etlichen Eltern fallen atemabhängige Rhythmusstörungen auf. Die Herzfrequenz sinkt bei Ausatmung und steigt bei Einatmung. Extrasystolen, also regelrechtes Herzstolpern, ereignet sich auch bei Kindern häufig. Die Pulsuhren melden häufiger Alarm:
Zulässige Pulsvarianzen in Ruhe:
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Alter
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Durchschnitt
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Ruhepulsgrenzen
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0 – 4 Wochen
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125
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70 – 190 (anhaltend > 160 → ggf. Diagnostik)
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1 – 11 Monate
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120
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80 – 160
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1 – 2 Jahre
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110
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80 – 130
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3 – 5 Jahre
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100
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80 – 120
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6 – 7 Jahre
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100
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75 – 115
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8 – 10 Jahre
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90
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70 – 110
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11 – 12 Jahre
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85
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65 – 105 (Mädchen jeweils +5)
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13 – 14 Jahre
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80
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55 – 100 (Mädchen jeweils +5)
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15 – 16 Jahre
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75
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55 – 95 (Mädchen jeweils +5)
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17 – 18 Jahre
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70
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50 – 90 (Mädchen jeweils +5)
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Sehr langsame Ruhepulse unter 60 pro Minute sind bei gut trainierten Jugendlichen möglich. Eine physiologische Sinustachykardie bis Puls 230 pro Minute gilt bei Kindern als möglich.
Supraventrikuläre Tachykardien (Herzrasen) kommen oft nach einem Infekt vor, mit abruptem Beginn, Gefühl des Herzrasens, Puls 180 – 300. Grund sind Erregungsstörungen im Vorhof mit zu schneller Herzfrequenz als Folge. Für die Diagnose supraventrikuläre Tachykardie ist ein EKG im Anfall nötig, darum sollte man gleich in die Praxis oder in die Klinik fahren. Mit supraventrikulären Tachykardien kommen herzgesunde Kinder in der Regel gut klar.
Der plötzliche Herztod ist ein wichtiger Grund für dramatische und unvermittelte Todesfälle bei Kindern oder Jugendlichen, nicht ganz selten auf dem Sportplatz. Drogen (Kokain, Cannabis) oder ausgeprägte Anorexien (Magersucht mit erheblichem Untergewicht, ggf. zusätzlich Elektrolytstörungen durch häufiges Erbrechen) erhöhen das Risiko. Kardiomyopathien (Herzmuskelkrankheiten), Erkrankungen der Herzkranzgefäße (Engstellen oder Aussackungen z. B. nach Kawasaki-Krankheit), Herzrhythmusstörungen (z. B. Kammerflimmern durch angeborene oder erworbene Reizleitungskrankheiten), Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und akute Aortenkrankheiten (starke Erweiterung der Aorta, oder unerkannte Engstelle) können Ursache des plötzlichen Herztodes sein.
Kardiomyopathien (nicht entzündliche Herzmuskelerkrankungen) zeigen sich durch ungewöhnliche Müdigkeit und Schwindel, ein neues Herzgeräusch und als besonderes Warnzeichen unklare Synkopen bei Belastung. Ein Herzecho kann die Diagnose sichern. Es wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden.
Fehleinmündungen der Koronarien (Herzkranzgefäße) oder eine Koronarienentzündung mit Aussackungen (Kawasaki-Syndrom) ergeben erhebliche Risiken für Kinder (ebenfalls erkennbar im Herzultraschall).
Herzrhythmusstörungen mit erhöhtem Risiko können angeboren sein. Im Ruhe-EKG lassen sich nur einige wenige erkennen. Die sogenannte QT-Zeit lässt sich im Ruhe-EKG ausmessen. Bei deutlicher Verlängerung spricht man von Long-QT-Syndrom. Die Erkrankung neigt zu bedrohlichen Rhythmusstörungen und betroffene Kinder erhalten meist Betablocker. Manche häufig eingesetzten Medikamente verlängern die QT-Zeit zusätzlich, insbesondere Psychopharmaka und manche Antibiotika. Bei Sportuntersuchungen wird auf die QT-Zeit geachtet.
Myokarditis-Erkrankungen (Herzmuskelentzündungen) sind vor allem durch die Coronapandemie und die Impfnebenwirkungen bekannt geworden. Myokarditis kann nach unterschiedlichen Virusinfektionen entstehen, selten nach Impfungen. Auch hier kommt es zu vorzeitiger Erschöpfung, beschleunigtem Puls, neuem Herzgeräusch, auffälligem Labor mit erhöhten Herzenzymen. Meist kommt es zu spontaner Erholung, manchmal bleibt eine Herzschwäche.
Sportuntersuchungen sollen u. a. das Risiko einer unbekannten Herzerkrankung mit hohem Risiko bei Leistungssport eingrenzen. Sie ergeben zahlreiche falsch positive Befunde und erkennen etliche Risiken nicht. Erst eine qualifizierte kardiologische Diagnostik reduziert die Risiken deutlich. In Italien wurden gute Ergebnisse durch EKG-Kontrollen gesehen, in den USA wird diese Routinediagnostik für nicht ausreichend erachtet.
Endokarditis (Herzinnenhautentzündung)
Sie wird meist ausgelöst durch Streptokokken oder Staphylokokken bei vorbestehender Herzkrankheit. Turbulenzen an veränderten Herzklappen führen zu Beschädigungen der Oberflächen und angelagerten Gerinnseln. In diese setzen sich dann Bakterien ab, die im Rahmen von Bakteriämien (Bakterien im Blutstrom) an die Herzklappen gelangen. Der Erreger Streptokokkus viridans kann nach Zahnbehandlung und Bakteriämie eine scheinbar milde Infektion auslösen mit leichtem Fieber, vor allem nachmittags jedoch über Wochen. Im Verlauf kommen Übelkeit, Erbrechen, Kopfweh und Hautveränderungen und anhaltende Herzklappenschäden dazu. Beim aggressiven Eiterereger Staphylokokkus aureus hingegen entsteht hohes Fieber, heftiger und akuter Beginn, rasche Verschlechterung der Herzfunktion. Diagnostisch entscheidend ist die positive Blutkultur und die Herzechokardiografie mit Nachweis von Endokardveränderungen, falls möglich auch ein Gerinnselnachweis. In der Folge gibt man vier bis sechs Wochen Antibiotika.
Hypertonie (Bluthochdruck)
Bluthochdruck ist inzwischen bei Kindern nicht mehr selten (Übergewicht, Bewegungsmangel, salzreiches Essen), bleibt aber meist ohne Krankheitszeichen. Bei Kindern mit deutlich erhöhtem Blutdruck findet sich wie bei Erwachsenen eine verdickte Wand im Bereich der großen Arterien (Wanddickenmessung im Bereich der Arteria carotis) und ein verdicktes Myokard (Herzmuskel) als Folge der Herz- und Kreislaufbelastung. Erfahrungsgemäß startet die Behandlung bei Jugendlichen ab Blutdruckwerten von 140/90 und erst nach einer 24-Stunden-Blutdruckmessung. Umfangreiche Diagnostik wird gefordert, um die zahlreichen möglichen Ursachen der frühen Hypertonie zu finden (Nierenkrankheiten, Gefäßveränderungen, Entzündungen, Hormonstörungen, Genetik).