Vorwort

Neugeborene und Säuglinge

Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Behinderung, Erziehung, Förderung, Rehabilitation und ärztliches Handeln

a

b

c

d

e

f

g

h

i

k

l

m

n

o

p

q

r

s

t

u

v

w

z

Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Die Augen

Mit ca. sechs Wochen, also zur U3, soll ein Säugling ein Gesicht mit den Augen verfolgen können. Ab drei Jahren (= U7a) kann ein Kind kleine Gegenstände erkennen und benennen. Hier finden die ersten Sehtestungen statt. Im Rahmen der U9 können bereits qualifizierte Testungen beim Kinderarzt bzw. der Kinderärztin erfolgen.

Hyperopie (Weitsichtigkeit)

Der Augapfel ist zu kurz, die Seheindrücke aus der Ferne würden erst hinter dem Augapfel scharf auf der Netzhaut erscheinen. Das Kind kann dies durch aktive Linsenspannung ausgleichen, ein gewisser Grad an Hyperopie ist also voll kompensierbar. Bei nahen Gegenständen gelingt dies nicht mehr, deshalb der Begriff Weitsichtigkeit. Bei sogenannter hochgradiger Hyperopie können auch ferne Gegenstände durch Linsenarbeit (Akkommodation) nicht mehr scharf gestellt werden. Eine Brille wird erforderlich, andernfalls wird das Auge funktionell erblinden.

Myopie (Kurzsichtigkeit)

Der Augapfel ist zu lang, ferne Gegenstände werden deutlich vor der Netzhaut scharf und auf der Netzhaut bereits wieder unscharf. Dies kann durch Linsenaktivität nicht kompensiert werden, eine Brille wird erforderlich. Sehen in die Nähe geht gut. Die Myopie entwickelt sich meist erst im Schulalter. Aktuell werden Therapien entwickelt, die tatsächlich helfen, aber noch keine Kassenleistung sind.

Irreguläre Krümmung der brechenden Medien (Astigmatismus)

Ein sogenannter Astigmatismus wird meist durch eine irreguläre Krümmung der Hornhaut verursacht, manchmal auch der Linse. Die Brechung des Lichts erfolgt unterschiedlich und das Auge kann nicht gleichmäßig scharf sehen. Eine Brille mit unterschiedlichen Brechungswinkeln kann den Defekt ausgleichen.

Amblyopie (Abnahme der Sehkraft)

Eine Abnahme der Sehkraft ergibt sich, falls ein Kind unscharfe Seheindrücke erhält oder die Seheindrücke der beiden Augen sich widersprechen. Es entwickelt sich ein führendes Auge, das zweite wird funktionell abgeschaltet. Durch therapeutisches „Abkleben“ des führenden Auges für mehrere Stunden versucht man, das teilweise abgeschaltete Auge zu kräftigen, die Sehkraft wieder aufzubauen.

Blindheit (Amaurose)

Sie kann sich nach Geburt erst entwickeln. Nystagmus und Strabismus, also Augenzittern und Schielen, sind ein Hinweis.

Die Iris

Wenn die Iris weitgehend fehlt, sucht man nach einem Wilmstumor. Ein Irismangel, entweder komplett oder partiell als Defekt (Kolobom), bedarf immer der umfangreichen Diagnostik.

Erweiterung der Pupille (Mydriasis)

Sie kann angeboren sein (meist eine Form des Irismangels). Die neu aufgetretene und anhaltende Mydriasis entwickelt sich bei bedrohlichem Hirndruck oder nach Trauma. Die Reizmydriasis ist ein ernstes Zeichen!

Ungleich weite Pupillen (Anisocorie)

Die Pupillen sind ungleich weit, oft ist es eine harmlose Anomalie. Aber es gibt wichtige Krankheitsgründe und deshalb wird Diagnostik erforderlich. Das sogenannte Horner-Syndrom (Lähmung der sympathischen Nervenbahnen mit enger Pupille, leicht hängendem Oberlid und eingesunkenem Auge) entsteht durch unterschiedliche Schädigungen im Hirnstamm- oder Halsmarkbereich. So findet sich ein Horner-Syndrom nach Plexusparese (Nervenwurzelausriss im Halsbereich durch Geburt), bei verschiedenen Tumoren von Halsmark oder Hirnstamm (Neuroblastom) und durch unterschiedlich verursachte Einblutungen in diesen Bereich.

Weißer Reflex der Pupille auf Licht (Leukokorie, Katzenaugenreflex)

Besonders dafür bekannt ist das Retinoblastom (Netzhauttumor). Angeblich kann man auf Kinderbildern den weißen Pupillenreflex früh erkennen Bislang hatten wir nur ein Kind mit Retinoblastom in der Praxis. Es zeigte die Veränderung jedoch (noch) nicht. Die Mutter war an einem Retinoblastom operiert worden. Wegen hoher genetischer Risiken nach Retinoblastom der Mutter erfolgte eine rasche Augenkontrolle beim Kind. Es fand sich ein noch kleiner Tumor und es gelang die augenerhaltende Chemotherapie in einem Zentrum.

Strabismus (Schielen)

ist häufig, betrifft 4 % aller Kinder. Frühe Therapie ist sinnvoll, um eine Abnahme der Sehkraft (Amblyopie) zu vermeiden. Eine Schieloperation erfolgt meist im frühen Schulalter. Schielen kann viele Ursachen haben, deshalb erfolgt bestenfalls breite augenärztliche Differenzialdiagnostik. Pseudostrabismus (sehr häufig) nennt sich ein vorgetäuschter Strabismus durch eine breite Nasenwurzel oder eine an den Augenwinkeln und vor den Augenlidern liegende Hautfalte (Epikanthus).

Nystagmus

bezeichnet unwillkürliche, schwankende Augenbewegungen mit einem oder beiden Augen und mit einer schnellen oder zwei gleich schnellen Richtungen. Immer erfordert ein Nystagmus umfangreiche Diagnostik.

Chaotische Augenbewegungen (Opsoklonus) können durch eine Encephalitis (Hirnentzündung), eine Infektion oder manchmal ein Neuroblastom entstehen.

Hängendes Oberlid (Ptosis)

kann angeboren sein und harmlos. Es ist zu prüfen, ob die Sehkraft des Auges leidet (Amblyopie). Ein hängendes Oberlid gibt es bei Botulismus, Schilddrüsenunterfunktion, Muskelkrankheiten oder einseitig bei Horner-Syndrom (gemeinsam mit enger Pupille und leicht eingesunkenem Auge).

Bei einem Epiblepharon überdeckt die Haut des Oberlids (Hautfalte) den Lidrand und die Wimpern. Das Phänomen ist häufig, meist harmlos und verschwindet wieder.

Blepharospasmus: Hierbei kann das Auge wegen Schmerz oder Entzündung nicht mehr geöffnet werden.

Lidrandentzündung (Blepharitis)

Bei trockener oder schuppiger Haut können kleine Schüppchen am Lidrand entstehen mit etwas Rötung und Juckreiz. Die Augenreinigung gelingt mit Panthenol-Augensalbe und einem Tuch. Kommen Staphylokokken hinzu, bewähren sich antibiotikahaltige Augentropfen.

Hordeolum (Gerstenkorn)

Entzündung von kleinen Drüsen der Augenlider mit kugeligem Abszess. Als ursächlichen Keim finden sich meist Staphylokokken. Antibiotikahaltige Tropfen werden gegeben. Wärme bleibt strittig. Eine Operation mit Eröffnung der Entzündung in Narkose wird selten erforderlich.

Chalazion

bezeichnet einen gutartigen Tumor, der sich meist am Augenwinkel bildet. Er ist nicht entzündet, wächst langsam, kann verschwinden. Selten ist eine Operation notwendig.

Tränengangsstenose (Verengung des Tränengangs)

Gut 20 % der Neugeborenen zeigen dieses Phänomen. Massage und Reinigung mit warmem Wasser (nicht Kamillentee) wird empfohlen, die Massage bleibt umstritten. Antibiotikatropfen helfen bei heftiger Entzündung.

Tränensackentzündung (Dakryozystitis)

Analog der Tränengangentzündung kann sich auch der Tränensack entzünden. Unterhalb des inneren Augenwinkels neben der Nase entsteht eine rundliche, schmerzhafte gerötete Schwellung: meist bei Säuglingen und Kleinkindern, meist bei vorbestehender Verengung des Tränengangs. Hier sind systemisch Antibiotika dringend.

Entzündung des Gewebes um das Auge (Orbitalphlegmone)

Meist entsteht sie bei Säuglingen und Kleinkindern als Komplikation einer Bindehaut- oder Tränengangentzündung. Sie erfordert eine engagierte Therapie und Überwachung, da das Risiko der weiteren Infektionsausbreitung Richtung Gesicht, Nasennebenhöhlen, Augeninneres besteht.

Konjunktivitis (Bindehautentzündung)

Falls die Bindehautentzündung innerhalb der ersten Lebenstage auftritt, wird eine genaue Diagnostik empfohlen mit Ursachensuche und rascher Therapie. Die Erkrankung verursacht starke Schmerzen, Lichtscheu und manchmal kann die Hornhaut beteiligt sein. Man fürchtet eine Herpesinfektion mit Herpeshornhautentzündung oder eine heftige bakterielle Infektion. Spätere Bindehautentzündungen des Säuglingsalters entstehen bei Tränengangentzündungen.

Die epidemische Konjunktivitis durch Adenoviren verursacht starken Juckreiz und erhebliche Entzündungsreaktionen der Bindehaut. Sie ist sehr ansteckend.

Die allergische Konjunktivitis führt neben wässrigem Schnupfen auch zu Tränenfluss und Juckreiz. Antihistaminika und Kortikoidspray für die Nase helfen, Cortison soll nur im Notfall und nach augenärztlicher Anordnung direkt ins Auge.

Ulzerationen der Hornhaut (Hornhautgeschwüre) entstehen bei Geschlechtskrankheiten (Gonokokken), bei Kontaktlinsenträgern, bei Mangel an Tränenflüssigkeit oder Fazialisparese mit mangelhaftem Lidschluss. Hornhautentzündungen führen zur Hornhauttrübung durch Einsprossung von Gewebe. Dies bedroht das Sehvermögen (Visus) und ergibt eine erhebliche Ursache für erworbene Blindheit. Bei seltenen Systemkrankheiten kommt eine Keratitis (Hornhautentzündung) ebenfalls vor.

Linsentrübung (Katarakt)

Jede Trübung der Linse gilt als Katarakt. Extrem umfangreiche Differenzialdiagnose ist nötig: Frühgeburt, Genetik und syndromale Krankheiten, Stoffwechselstörungen, Infektionen, endokrine Krankheiten (Diabetes), Medikamente (Korticoide), Trauma, Augenerkrankungen. Falls möglich sind Operation und Linsenersatz anzuraten.

Entzündungen der Aderhaut (Iris) und der umgebenden Gefäßregion (Chorioretinitis) entstehen bei sehr vielen Entzündungskrankheiten wie Kawasaki, Mittelmeerfieber, Rheuma, Crohn, Psoriasis, Multiple Sklerose, Sarkoidose sowie nach Infektionen durch Viren und Bakterien (postinfektiös über Antikörper) oder im Rahmen von direkten Infektionen durch Viren (Herpes, Röteln), oder Bakterien (Toxoplasmose, Tuberkulose). Bei rheumatischen Krankheiten sind Routineaugenkontrollen erforderlich, da die Aderhautentzündung (Chorioretinitis) meist symptomarm verläuft, also übersehen werden kann, und potenziell die Augen anhaltend schädigt. Therapie erfolgt mit Cortison oder Immunmodulatoren.

Netzhautkrankheit des Frühgeborenen (Retinopathie)

Sie kann leicht oder sehr schwer verlaufen. Ursachen sind Frühgeburtlichkeit, Sauerstoffgaben, Infektionen, Atemstörungen, Blutmangel und Blutgaben. Bei den meisten Frühgeborenen ist der Verlauf gutartig, die Retinopathie bessert sich spontan. Bei 10 % der Risikokinder indes entwickelt sich die Retinopathie ungünstig. Deshalb finden regelmäßig Augenkontrollen bei Frühgeborenen unter der 32. Schwangerschaftswoche nach einem festen zeitlichen Schema statt, eine sehr ungeliebte Prozedur. Therapeutisch helfen bei bedrohlicher Retinopathie Injektionen in den Glaskörper.

Retinoblastom bezeichnet den häufigsten bösartigen Augentumor bei Kindern, der aber selten ist. Etwa eine Hälfte der Fälle sind familiär bedingt. Frühe Diagnose und Therapie sind entscheidend.

Netzhautdegeneration meint eine zunehmende Sehminderung beim Kind, die meist mit Nachtblindheit beginnt. Verschiedene genetische Ursachen sind bekannt, auch Stoffwechselstörungen.

Diagnostischer Wert verschiedener Netzhautveränderungen

Die Untersuchung des Augenhintergrunds verhilft bei verschiedenen Krankheiten zur Diagnose: Bei einem Schütteltrauma lassen sich Netzhautblutungen erkennen, eine tuberkulöse Meningitis zeigt typische Netzhautveränderungen, ebenso die aktive oder reaktivierte Toxoplasmose des Neugeborenen oder Säuglings mit Netzhautverkalkungen. Eine Endokarditis geht mit typischen Netzhautveränderungen einher, eine diabetische Retinopathie, ein langfristig erhöhter Blutdruck, etliche Stoffwechselstörungen und jegliche Form von anhaltendem Hirndruck (über längere Zeit).

Veränderungen am Sehnerv

Auch der Sehnerv ist durch das Auge hindurch sichtbar und zudem ein sichtbares Hirnteil. Ein angeschwollener Sehnerv kann einen Hirndruck oder eine Entzündung anzeigen. Verschiedene harmlose Sehnervenveränderungen machen die korrekte Diagnose schwer und manchmal findet sich trotz Optikusneuritis (Entzündung des Sehnervs durch Antikörper) oder Hirndruck keine eindeutige Veränderung. Die Zerstörung oder Degeneration (Atrophie) des Sehnervs mit Verlust des Sehvermögens (Visusverlust) ergibt einen blassen und kleinen Sehnerv.

Die Sehnervenzerstörung (Optikusatrophie) kann Folge eines bestehenden, schweren Hirndrucks sein (Hydrocephalus), einer Infektion, eines bereits länger anhaltenden Diabetes oder einer seltenen Mitochondriopathie (genetische Funktionsstörung der Mitochondrien). Weitere Ursachen sind hoher Augendruck (Glaukom), Unfall mit Augenverletzung, Entzündung des Sehnervs durch Antikörper, hoch dosierte Bestrahlung und verschiedene Giftstoffe.

Erhöhter Druck im Auge (Glaukom)

Tränenfluss, Lichtscheu und Zukneifen des Auges gelten als typische Zeichen eines akuten Glaukoms, aber nur 30 % der betroffenen Kleinkinder mit akutem Glaukom zeigen die Zeichen komplett. Im frühen Säuglingsalter ist das Auge besonders elastisch und vergrößert sich bei erhöhtem Augendruck, ebenso die Hornhaut. Es findet sich demnach ein auffallend großes und schönes Auge (das leider krank ist). Die Glaukom-Ursachen sind vielfältig: Teils angeboren als genetische bzw. familiäre Besonderheit, teils gemeinsam mit seltenen neurokutanen Syndromen (Neurofibromatose, Sturge-Weber-Syndrom) oder Bindegewebserkrankungen (Marfan-Syndrom). Der erhöhte Augendruck entsteht häufig nach unfallbedingten Augenverletzungen, im Rahmen von Infektionen, oder durch Tumoren. Manche Medikamente können den Augeninnendruck erhöhen (Kortikoide), andere senken ihn (dies wird therapeutisch genutzt).

Ein breiter Augenabstand ist meist eine harmlose Variante, manchmal jedoch ein Hinweis auf eine angeborene Mittelgesichtsveränderung (hierbei finden sich versteckt Zysten oder Tumore). Ein geringer Augenabstand ist ebenfalls eine meist harmlose Variante, manchmal jedoch ein Hinweis auf Balkenmangel.

Auch vorstehende Augen (Exophthalmus) sind meist eine harmlose Variante, manchmal jedoch ein Hinweis auf Morbus Basedow (Hyperthyreose durch Autoantikörper). Ein Exophthalmus kommt auch bei etlichen Entzündungskrankheiten vor (Lupus erythematodes [LE], Sarkoidose).

Augenverletzungen

Fast 30 % aller Augenerblindungen sind Folge eines Unfalls, der sich oft im Sport ereignet. Meist betrifft es Jungen, meist im Schulalter. Die Augenverletzungen erfordern die kurzfristige Vorstellung bei einem Augenarzt bzw. einer Augenärztin, da nicht alle Verletzungen sich gut erkennen lassen.