Vorwort

Neugeborene und Säuglinge

Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Behinderung, Erziehung, Förderung, Rehabilitation und ärztliches Handeln

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Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Die Ohren

Hörscreening

Gehörlosigkeit bereits im frühen Säuglingsalter zu entdecken und zu behandeln eröffnet dem betroffenen Kind oft eine ganz unauffällige Schul- und Berufslaufbahn und spart hohe Folgekosten ein; in den USA angeblich 500.000 Dollar pro Kind. Entsprechend erfolgt ein flächendeckendes Hörscreening nach der Geburt. Töne zwischen 30 und 40dB werden angeboten und sollten vom Neugeborenen sicher gehört werden.

Im späteren Leben gilt eine Hörschwelle von 10 – 15 dB als normal, 15 – 25 dB wären bereits etwas zu wenig und führen bei Kleinkindern zu Spracherwerbsverzögerungen. 25 – 30 dB Hörschwelle definiert die leichte Schwerhörigkeit mit Behandlungsbedarf, 30 – 50 dB eine moderate Hörminderung, die eine Konversation bzw. den Spracherwerb schwer macht. 50 – 70 dB ergibt eine schwere Schwerhörigkeit und erfordert spezielle Schulen und Konversationsmethoden über 70 dB Hörschwelle ist Gehörlosigkeit.

Hörminderungen

Hörminderungen durch Ohrkrankheiten entstehen entweder durch eine Schallleitungsstörung vor dem Trommelfell (Ohrschmalz, Fremdkörper), eine Schallleitungsstörung im Mittelohr (Mittelohrentzündung, Gehörknöchelchenerkrankungen) oder durch einen Innenohrschaden (Giftstoffe, Medikamente, Durchblutungsstörungen, Hörsturz). Zentrale Hörminderungen im Gehirn entstehen durch Beschädigungen der zentralen Hörbahnen (genetische Krankheiten mit Schwerhörigkeit, Tumore, Multiple Sklerose, Blutungen).

Die frühere Behandlung der Schwerhörigkeit kombinierte den Einsatz von Hörgeräten mit Ersatzsprachen (Gebärdensprache). Heute wird falls immer möglich der Einsatz eines Cochlea-Implantat (kurz: CI) versucht. Das CI übersetzt Höreindrücke in Nervensignale und benötigt nach der Implantation eine umfangreiche und jahrelange Schulung. Aber die so behandelten Kinder lernen fast perfekt sprechen und hören und ihre Schulleistungen erreichen den Normalbereich. Das Risiko des Cochlea-Implantat ist die Hirnhautentzündung durch Pneumokokken, deshalb sollen alle Kinder mit CI gut geimpft sein. Minderbegabung eines Kindes gilt nicht mehr als Ausschlusskriterium, zwei Geräte für das Stereohören sind vorteilhaft.

Ohrenschmerzen: In gut 50 % der Fälle sind sie ein Hinweis auf eine Mittelohrentzündung, sonst handelt es sich um eine Außenohrentzündung oder fortgeleitete Schmerzen (Zähne Kiefer, Nasennebenhöhlen).

Ausfluss aus dem Ohr: Er kann entweder eitrig sein durch Mittelohrentzündung mit einem Loch im Trommelfell und Eiterabfluss oder es handelt sich um eine Außenohrentzündung. Blutiger Ausfluss bei Mittelohrentzündungen, aber auch nach Unfällen ist nicht selten; wässriger Ausfluss kommt vor bei länger bestehendem Defekt im Trommelfell, selten ist es Hirnflüssigkeit bei einer Fistel oder nach Unfall mit Felsenbeinfraktur.

Otitis externa (Gehörgangsentzündung)

Eine Gehörgangentzündung ist Folge von anhaltend viel Feuchtigkeit im Außenohr (Schwimmen) mit Infektion von Außenohrinhalten (Ohrschmalz, Zellen) und -wandung. Erreger sind meist Pseudomonas (Wasserkeime in Pools) oder Candidapilze (durch häufiges Kratzen bei chronischem Juckreiz eingebracht). Binnen ein bis zwei Tagen entstehen heftige Ohrschmerzen, vor allem bei Druck auf den Tragus (kleiner Ohrknorpel am Boden des Außenohrs). Der Gehörgang schwillt zu. Die Therapie erfolgt mit antibiotischen Ohrentropfen oder Streifeneinlage durch HNO-Ärzt:in; in schweren Fällen Antibiotika systemisch. Allergien und Ekzeme können ähnlich verlaufen. Hier zeigt sich initial eher ein Juckreiz und Cortisoncreme wird zusätzlich eingesetzt.

Otitis media (Mittelohrentzündung)

Die Mittelohrentzündung ist extrem häufig, vor allem in den ersten beiden Lebensjahren, und häufigste Ursache für Antibiotikagaben bei Kleinkindern. Die akute Otitis media ist ein wichtiger Grund für anhaltende Hörminderungen. Gründe für besonders häufige Mittelohrentzündungen sind Genetik, erste Otitis media vor dem ersten Lebensjahr, Zigarettenrauch, beengte Wohnverhältnisse. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Haemophilus, Pneumokokken und Moraxella. Die antibiotische Behandlung scheitert oft, die Keime lassen sich nicht gut aus der Mittelohrhöhle eliminieren. Häufig sind es Mischinfektionen.

Aktuell soll auf Antibiotika die ersten Tage während einer Mittelohrentzündung verzichtet werden, also nur Schmerzmittel und Nasentropfen oder -spray. Die Komplikationsraten steigen dadurch laut aktuellen Studien leicht an, andererseits werden zahlreiche Antibiotikabehandlungen vermieden und damit auch ihre Nebenwirkungen. Man geht heute davon aus, dass die verzögerte Antibiotikagabe mehr Vorteile bietet als Nachteile. Es müssten ca. 4000 Kinder antibiotisch früh wegen Otitis media behandelt werden, um eine Mastoiditis (Entzündung des knöchernen Warzenfortsatzes hinter dem Ohr) zusätzlich zu verhindern. Die endgültige Bewertung des Schrittes steht aus, insbesondere ist die Frage nach den langfristigen Vor- oder Nachteilen noch offen (anhaltende Hörminderungen). Die Dosierung der eingesetzten Antibiotika ist in den USA höher als in Deutschland, um eine bessere Wirkung zu erreichen, die Therapie eher länger, um das Mittelohr tatsächlich keimfrei zu bekommen. Die Resistenzlage bei Haemophilus, Pneumokokken und Moraxella gegenüber dem vorrangig empfohlenen Amoxicillin wird immer umfangreicher. Auch die Diskussion bezüglich der zeitgerechten Operationsindikation für eine Entfernung der Polypen ist nicht entschieden. Die Polypen (Rachenmandeln) verlegen ab einer gewissen Größe den Belüftungsgang von der Nase ins Mittelohr und führen so zur Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr. In der Folge entwickelt sich eine Hörminderung (und Spracherwerbsstörung) und durch verschiedene Erreger in der Mittelohrflüssigkeit eine akute Mittelohrentzündung. Aktuell werden die Polypen seltener und später operiert, eher wegen geringerer Operationskapazitäten als wegen neuer Erkenntnisse über die beste Strategie. Die Polypenentfernung (Adenotomie) mit und ohne Paukenröhrcheneinlage war vormals die häufigste Operation bei Kindern überhaupt.

Akute Mastoiditis (Entzündung des knöchernen Warzenfortsatzes hinter dem Ohr)

Eine der Hauptkomplikationen nach oder während einer Otitis media: Das Mastoid liegt in direkter Nachbarschaft zum Gehirn und verschiedene Nerven ziehen entlang (Gesichtsnerv). Vor der Antibiotika-Ära war die Mastoiditis häufig und gefürchtet, Vorbote einer fortgeleiteten Meningitis. Eine dramatische Reduktion der Mastoiditisfälle entstand durch die Pneumokokkenimpfung im Säuglingsalter, aktuell steigt in Ländern mit verzögerter Antibiotikabehandlung die Mastoiditishäufigkeit an. Befürchtet wird zudem eine Keimverschiebung zu Erregern, die von den Impfungen nicht erreicht werden. Die Mastoiditis entsteht in 97 % der Fälle während einer Otitis media. Angeblich ließe sich die Mastoiditis durch den Mastoidklopfschmerz früh erkennen. Aber ein Kleinkind mit Otitis media weint bei jedem Beklopfen des Mastoids, da eine infektiöse Mitreaktion des Mastoids zuverlässig bei fast jeder Otitis media gegeben ist. Schwellung hinter dem Ohr, Gesichtsnervenlähmung, Befundverschlechterungen trotz antibiotischer Behandlung, ungewöhnlich starke Entzündungszeichen im Blut oder hohes Fieber gelten als wichtige klinische Hinweisfaktoren. In einer HNO-Abteilung erfolgt meist die operative Intervention mit Eröffnung des Mastoids und nachfolgender Infusionsbehandlung mit breit wirksamen Antibiotika. Auffallend sind familiäre Häufungen der Mastoiditis und häufigere Mastoiditis nach Cochlea-Implantat.

Nervenentzündung des Hörnervs (Labyrinthitis oder Vestibularisneuritis)

Meist harmlose Mitreaktion des Labyrinths bei Otitis media mit Schwindel und diskreter Gleichgewichtsstörung, Hörminderung und mit spontaner Besserung. Keine Therapie erforderlich. Selten direkte bakterielle Infektion als Folge einer Mastoiditis, Otitis media, Meningitis oder Bakterienstreuung über die Blutbahn, dann meist heftiger Schwindel, starke Hörminderung, Gleichgewichtsstörungen. Intensive Therapie ist erforderlich.

Die benigne paroxysmale Vertigo entsteht plötzlich und ohne Infektion meist bei Kindern mit (später auftretender) Migräne. Dauert nur Minuten, meist kein Hörverlust.

Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel tritt bei Jugendlichen und Erwachsenen auf, teilweise mit Nystagmus, Erbrechen und heftigem Schwindel. Oft helfen Lagerungsübungen.

Ein Knalltrauma entsteht gerne nach einem lauten Musikkonzert mit akuter Hörminderung und Tinnitus.

Schädelbasisfraktur

Es findet sich meist eine Längsfraktur des Temporalknochens mit Blutung oder Austritt von Hirnflüssigkeit aus dem Gehörgang (80 %), seltener eine Querfraktur mit Blut im Mittelohr. Immer findet sich eine Hörminderung, öfters auch Schwindel, manchmal Mitbeschädigung des Gesichtsnervs.