Nieren und Harnwege
Blut im Urin
Der Nachweis ist einfach, z. B. mit einem U-Stix (einem Urinschnelltest), wie ihn zahlreiche Familien zu Hause besitzen. Wir nutzen zusätzlich das Mikroskop, zählen die roten und weißen Blutzellen, suchen nach Zylindern aus Erythrozyten oder Leukozyten als Hinweis auf Nierenbeteiligung. Nachgewiesen im U-Stix wird nicht das rote Blutkörperchen, sondern der rote Blutfarbstoff Hämoglobin. Hämoglobin ohne nachweisbare Blutkörperchen weist auf Blut- oder Muskelabbau im Körper hin, z. B. Hämolyse, oder heftigen Sport. Für die Differenzierung ist das Mikroskop sehr wertvoll, aber technisch und zeitlich aufwendig. Eine sichtbare Rotfärbung von Urin oder Windel gelingt durch verschiedene Medikamente oder Nahrungsmittel. Blut im Urin entsteht harmlos bei fieberhaften Infekten. Nur in 10 % ist die kindliche Hämaturie Hinweis auf eine Nierenerkrankung.
IgA-Nephropathie (Immunglobulin-A-Nephropathie)
Die häufigste Nierenerkrankung bei wiederholtem Nachweis einer Hämaturie (Blut im Urin): Es handelt sich um eine Entzündung der Nierenglomeruli. Die IgA-Nephropathie beginnt oft im Anschluss an einen einfachen Virusinfekt mit sichtbarer Blutausscheidung im Urin, manchmal Krankheitsgefühl und Schmerzen. Die Diagnosesicherung gelingt mittels Biopsie – diese wird bei der eher leichten Krankheit, die meist spontan endet, in der Regel nicht nötig, es bleibt beim dringenden Verdacht. Flankierend werden verwandte Krankheiten mittels Diagnostik und Genetik gesucht und ausgeschlossen, die IgA-Nephropathie bleibt übrig.
Das Alport-Syndrom
Eine genetisch verursachte, angeborene Nephritis (Nierenentzündung) durch Veränderungen an der Basalmembran, eines wichtigen Anteils am Nierensieb. Die Nieren bestehen aus kleinen Gefäßknäueln, den Glomeruli. Die zellulären Elemente des Blutes bleiben im Gefäß, wässrige Bestandteile und kleine Moleküle gelangen durch das Nierensieb (mit Basalmembran) in kompliziert aufgebaute Kanälchen (Nierentubuli). Wichtige Stoffe werden dort einbehalten, Giftstoffe und „Abfall“ werden ausgeschieden. Beim Alport-Syndrom finden sich Störungen in der Zusammensetzung der Basalmembran in den Glomeruli. Die klinischen Verläufe sind unterschiedlich, je nach Gendefekt. Jenseits der Nierenschädigung kann eine frühe Schwerhörigkeit sich entwickeln, da auch im Ohr Membranschäden vorliegen. Weiterhin werden Augenveränderungen möglich. Weil die Nierenfunktion im Verlauf leidet, leitet man inzwischen eine frühe, nierenentlastende medikamentöse Therapie ein.
Die Poststreptokokken-Glomerulonephritis (Nierenentzündung)
Sie entwickelt sich bei einigen Streptokokken-A-Typen (in Abhängigkeit vom M-Antigen) ein bis zwei Wochen nach einer Angina. Der Beginn ist akut, trifft meist Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren, mit Ausscheidung von Blut und Eiweiß. Teils ist der Verlauf heftig mit hohem Blutdruck und erheblicher Nierenfunktionsstörung. Wahrscheinlich lässt sich die Krankheit durch frühzeitige antibiotische Behandlung der Streptokokkeninfektion nicht verhindern. Aber man behandelt das kranke Kind sowie die Familie mit Penicillin. Hirnfunktionsstörungen kommen vor.
Systemische Krankheiten mit Antikörperbildungen, aktivierten Entzündungszellen oder angeborenen Störungen können zur fortschreitenden Zerstörung der Nierenglomeruli führen bis zur Zerstörung der Nierenfunktion. Benötigt wird für die Diagnose die Nierenbiopsie.
Hämolytisch-urämisches Syndrom
Diese seltene Krankheit führt zu akutem Nierenversagen mit Blut- und Blutplättchenzerfall und mit komplizierter Dialysenotwendigkeit. Berühmt wurde die Krankheit durch eine HUS-Epidemie in Deutschland, ausgelöst durch Bakterien (E. coli) in verunreinigten Bambussprossen. Die Krankheit kann auch durch Medikamente ausgelöst werden. Entscheidend ist das frühe Aufsuchen eines nephrologischen Zentrums.
Nierenschäden mit Blut im Urin durch Medikamente
Bekannt geworden ist hierfür Ibuprofen, das Allerweltsfiebermittel bei Kindern ab sechs Monaten. Man soll Ibuprofen bei Durchfall und geringer Urinproduktion nur vorsichtig einsetzen um die Nieren zu schützen. Die Alternative Paracetamol kann dagegen die Leber schädigen und wird bei Lebererkrankungen vermieden.
Nierenkrankheiten im Bereich der Tubuli
Sauerstoffmangel und Durchblutungsstörungen schädigen besonders diesen Bereich der Nieren früh. Schwere Geburt, Sauerstoffmangel oder Blutdruckabfall und Durchblutungsstörungen ergeben die sogenannten Schocknieren und in der Folge entstehen kurzfristige oder anhaltende Schäden der Tubulusfunktion.
Polyzystische Nieren
Genetisch bedingte Nierenkrankheit. Öfters steht inzwischen die Diagnose bereits vor der Geburt fest (pränatale Diagnostik). Der Verlauf ist unterschiedlich, teils gibt es im Kindesalter keine Probleme und die Nierenfunktion verschlechtert sich erst spät, teils kommen auch in anderen Organen zystische Aufweitungen vor (Herz, Hirn, Lungen) und erste Krankheitssymptome entstehen früh.
Eiweißausscheidung im Urin
Fünf bis 15 % aller Kinder scheiden bei Urinuntersuchungen vermehrt Eiweiß aus, jedoch meist ohne klinische Relevanz. Es handelt sich um die Folge von langem Stehen, Kälte, Infekten, Fieber oder Stress. Oft sind Jugendliche betroffen.
Eiweißausscheidung durch längeres Stehen (Orthostatische Proteinurie)
Dies ist die häufigste Ursache einer Proteinurie, wird aber bisher nicht wirklich verstanden. Zur Erkennung der Krankheit sollte Urindiagnostik auf Eiweiß an drei Tagen direkt nach der Nachtruhe erfolgen. Die zunehmende Verfügbarkeit der Urin-Stix führt wegen der vielen harmlosen Auffälligkeiten im Urin zu Irritationen in den Familien und vermehrter Diagnostik. Bei hohem Urin-PH kann der U-Stix falsch positiv messen. Eine Schulung der Familie mit U-Stix ist deshalb sinnvoll.
Nierenkrankheiten mit massiver Eiweißausscheidung (Nephrotisches Syndrom)
Verliert der Körper über die Nieren mehr als 3,5 g Eiweiß pro Tag, entsteht Eiweißmangel im Blut und in den Geweben. Dies führt zu Wasseransammlungen im Körper (Ödemen) und zu Abwehrschwäche, da wichtige Eiweißfaktoren (Immunglobuline) verloren gehen. Die Blutfette im Blut steigen, ebenso wird Natrium gespeichert. Die Therapie versucht, durch Cortison die Nierenstörung zu behandeln, die Wasseransammlungen auszuschwemmen, die Blutfette zu senken. Es bestehen hohe Infektions- und Thromboserisiken. Die meisten Kinder stabilisieren sich, erleiden jedoch Rückfälle, die im Verlauf leichter und kürzer werden. Manchmal funktioniert die Therapie mit Cortison nicht.
Die Nierentubuluskrankheiten
Die Nierentubuli haben komplexe Aufgaben wie Elektrolyt- und Glucoseaufnahme sowie Regulierung des Wasserhaushalts. Die notwendigen Transportsysteme in den Wandungen der Röhren können viele unterschiedliche genetische Defekte zeigen und ihre Aufgaben mehr, weniger oder gar nicht erfüllen. Die genaue Benennung der Störung gelingt nach der differenzialdiagnostischen Meisterleistung einer Kindernephrologin / eines Kindernephrologen oder mittels Gendiagnostik.
Das Nierenversagen
Die schwerste Erkrankung der Nieren ist das chronische oder akute Nierenversagen. Es führt direkt zur Dialysenotwendigkeit und in eines der wenigen kindernephrologischen Zentren. Der Ausfall der Nieren hat auch bei guter Dialyse umfangreiche Folgen bezüglich Wachstum, Knochen- und Blutstoffwechsel und Abwehr. Man sucht eine Spenderniere.
Nieren- und Blasenentzündung (Harnwegsinfektionen)
Bei jedem Infekt eines Kleinkinds oder Schulkinds über mehr als zwei Tage ohne Husten und Schnupfen und insbesondere bei Fieber über 39 °C empfiehlt sich eine Urinkontrolle. Die häufigste Ursache für hohes Fieber bei bakteriell erscheinendem Blutbild ohne erkennbare Ursache sind Harnwegsinfekte. Bei Säuglingen kann das Fieber fehlen, dafür zeigen sich Ernährungsstörung, Gewichtsverlust und vermehrtes Schreien. Bei Infektionen von Blase oder Nieren finden sich auf dem U-Stix Leukozyten, Nitrit und Eiweiß und/oder Blut. Unter dem Mikroskop lassen sich die Leukozytenzahlen genau bestimmen. Wird eine Infektion angenommen, so erfolgt eine Urinkultur mit Antibiogramm. Dadurch lässt sich nach fehlender Wirksamkeit des ersten Antibiotikums (ca. 20 %) das notwendige zweite Antibiotikum geeignet auswählen. Außerdem bestätigen Kultur und Keimzahl die klinische Diagnose und die Praxis behält den Überblick über die aktuelle Resistenzlage, die regional unterschiedlich sein kann.
Als Zystitis (Blasenentzündung) gilt eine eher milde Infektion mit häufigem Harndrang, Druckschmerz über der Blase, wenig oder kein Fieber. Erreger sind meist Darmbakterien (E. coli), aber auch Viren können eine Zystitis auslösen, vor allem bei älteren Jungen mit blutigem Urin. Manchmal kann auf ein Antibiotikum hier verzichtet werden.
Als Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) bezeichnet man eine Harnwegsinfektion mit Nierenbeteiligung. Eine Folge können bleibende Nierenschädigungen sein.
Harnwegsinfekte sind grundsätzlich aufsteigende Infektionen und Entzündungen. Erleichtert werden sie durch eine enge Vorhaut bei Jungen oder eine Schamlippenverklebung bei Mädchen, weiterhin durch Blasentleerungsstörungen mit Restharn und Urinrückstau in die Nieren (Reflux oder Obstruktion). Genetische Faktoren spielen eine Rolle und schließlich ungeeignete hygienische Maßnahmen. Ultraschall kann die Diagnose sichern helfen, vor allem falls kein aussagefähiger Urin gelingt. Blasenpunktionen oder Blasenkatheter sind in einer Kinderarztpraxis kaum durchführbar. Nach wiederholten Infekten (ca. fünf bei Mädchen, ein bis zwei bei Jungen) wird urologische Diagnostik vorgeschlagen. Antibiotikaprophylaxe nach mehreren Blasenentzündungen ist strittig. Die Zahl der Blasenentzündungen lässt sich dadurch senken, nicht aber Zahl und Umfang der Nierenveränderungen und die Resistenzen der Keime nehmen zu. Antibiotika werden als schädlich angesehen.
Blasenfunktionsstörungen treten nicht selten zusammen mit Verstopfung oder Darmfunktionsstörungen im Sinne einer Blasen-Darm-Störung auf. Kinderurolog:innen verordnen deshalb auch Stuhlweichmacher und prüfen beide Systeme.
Der Reflux von Urin in die Harnleiter und bis ins Nierenbecken kann bereits bei niedrigem Druck erfolgen oder nur während der Blasenkontraktion. Ursachen sind genetische Faktoren, Blasenfunktionsstörungen mit erhöhtem Blasendruck (Blasenauslass kann nicht erschlaffen) oder Verengungen innerhalb der Harnröhre (z. B. Harnröhrenklappen). Ein Reflux mit starker Aufweitung von Harnleiter oder Nierenbecken wird meist operativ behandelt.
Stauungen durch eine Enge in den Harnleitern führen zu Nierenbeckenerweiterungen (Hydronephrosen). Oft werden diese vor Geburt gesehen und sind nach Geburt wieder weg. Die transiente Hydronephrose findet sich in der Hälfte aller vorgeburtlich diagnostizierten Nierenbeckenerweiterungen. Jegliche Stauung der ableitenden Harnwege kann zu gefährlichen Infektionen führen. Große infizierte Hohlräume im Körper können eine Blutvergiftung auslösen, man spricht von einer Urosepsis. Die Begleitung einer Erweiterung der ableitenden Harnwege ist auch deshalb verantwortungsvoll, es erfordert informierte Eltern und kurzfristige Anlaufstellen bei Komplikationen. Die meisten Nierenbeckenerweiterungen ohne Harnleiterstau heißen Ureterabgangsstenosen mit meist kaum beeinträchtigter Nierenfunktion. Sie entstehen meist links und bei Jungen und haben oft eine gute Prognose.
Bei Harnröhrenklappen sind meist beide Harnleiter erweitert, die Blase und beide Nieren wurden gestaut (manchmal einseitig nur eine Niere). Die Operation ist einfach und sehr wichtig. Im heftigsten Fall kann vor Geburt längere Zeit kein Urin fließen und es entwickelt sich ein ein Prune-Belly-Syndrom (entsprechende Kinder zeigen angeborene Nierenschäden mit massiver Erweiterung der ableitenden Harnwege und mit Muskellücken im Bereich der Bauchwand). Es handelt sich um eine schwere, chronische Erkrankung.
Blasenfistel (Urachusfistel)
Ein embryonaler Verbindungsgang zwischen Blasendach und Nabel kann offen bleiben, dann tropft aus dem Nabel des Kindes Urin. Der Gang kann als Rest erhalten sein und sich im Verlauf entzünden. Es erfolgt jeweils eine Operation.
Die hyperaktive Blase (Urge-Inkontinenz)
Bei Aufregung, Kälte, Freude oder spontan entsteht unbedingter Harndrang, oft und bereits bei geringer Blasenfüllung. Das Kind schafft es kaum bis zur Toilette, kleine Urinmengen gelangen in die Hose. Mitten aus dem Spiel oder im Unterricht muss das Kind unbedingt zur Toilette. Es handelt sich um die häufigste Störung der Blasenentleerung bei gesundem Organ und unbeeinträchtigter Nervenversorgung. Gegen die Übererregbarkeit der Blase stehen Medikamente zur Verfügung, die gut helfen. Mit der Pubertät enden die Beschwerden meist.
Unwillkürliches Einnässen bei heftigem Lachen
Das betrifft meist Mädchen; die Behandlung kann wie bei einer hyperaktiven Blase verlaufen.
Nachträufeln bei Mädchen
Grund kann die Miktion (Harnblasenentleerung) von Urin in die Scheide sein. Bei Schamlippenverklebung hilft eine Cortisonsalbe, bei falscher Pinkeltechnik soll sich das Mädchen verkehrt herum aufs Klo setzen (tritt vermehrt bei übergewichtigen Mädchen auf).
Psychische Traumata und Einnässen
Sie können bei Mädchen und Jungen zu erneutem Einnässen tagsüber führen, was weniger oft als vermutet auftritt. Nächtliches Einnässen ist in der Regel nicht psychisch verursacht.
Einnässen im Schlaf
Genetisch bedingt schlafen etliche Menschen besonders tief und fest. Die Blasensignale führen nicht zum Erwachen und es kommt zum nächtlichen Einnässen. Geduld hilft in den allermeisten Fällen, außerdem sind Klingelhose und das Medikament Desmopressin möglich. Die Klingelhose weckt jedoch oft nicht die Tiefschläfer:innen, sondern die übrige Familie, die wiederum oft mühsam das betroffene Kind wecken sollen. Das ist der Familie schnell zu viel Nachtruhestörung und die Klingelhose kommt weg. Wird sie konsequent eingesetzt, hilft sie bei über 70 % der Kinder.
Erworbene Verengungen der Harnröhre bei Jungen
Betroffene Jungen brauchen mehr Zeit zum Wasserlassen, einen hohen Druck, der Strahl kommt schwach und verdreht, eventuell gelingt die Entleerung der Blase nicht auf einmal. Harnröhrenverengungen entstehen durch ungünstige Beschneidung mit Verletzung der Harnröhre, nach Katheterisierungen, durch Infektionen und vor allem nach komplizierten Harnröhrenoperationen (Hypospadie).
Öffnungen der Harnröhre in Höhe des Penisschafts (Hypospadien)
Die Häufigkeit von Hypospadien nimmt zu, oft vergesellschaftet mit Hodenhochstand. Notwendig wird die Rekonstruktion einer wasserdichten Harnröhre und – falls vorhanden – die Beseitigung einer Penisschaftkrümmung. Die Operation erfolgt meist im Kleinkindalter, bei ausgeprägten Fällen ist sie sehr kompliziert, dann lohnt die hoch spezialisierte Abteilung.
Phimose (Vorhautverengung) und die Beschneidung
Männliche Neugeborene und Säuglinge zeigen regelmäßig eine Phimose. Nach dem dritten Lebensjahr lässt sich die Vorhaut bei 80 % der Knaben zurückstreifen. Narben und Strikturen (Verwachsungen) ergeben sich nach gewaltsamem Zurückschieben der Vorhaut oder durch eine chronische Entzündung in diesem Bereich, dem Lichen sklerosus. Hier werden Beschneidung und Cortisonsalben nötig. Die Beschneidung junger Kinder unter einem Jahr erscheint wegen der Narkoserisiken kritisch. Wissenschaftlich eindeutig vermindert die frühe Beschneidung Harnwegsinfektionen und verschiedene Geschlechtskrankheiten (wie HIV), ist also sinnvoll. Die Komplikationsrate bei einer Beschneidung liegt bei 0,2 % und entspringt meist einer ungenügenden, fehlerhaften Vorbereitung und OP. Nicht operiert werden sollen Jungen mit sehr kleinem, im Fettgewebe versteckten Penis.
Der Hodenhochstand
Etwa 5 % aller Knaben zeigen bei Geburt zumindest einen einseitigen Hodenhochstand. Bei der Hälfte wird der Hodenhochstand bis zum sechsten Monat spontan gut, die zweite Hälfte wird den Hodenhochstand behalten und bedarf einer Operation. Weiteres Zuwarten schadet. Bei früh operiertem, einseitigem Hodenhochstand ist die Fertilität des Jungen im Erwachsenenalter nicht gemindert (85 %), bei beidseitigem Hodenhochstand sinkt sie trotz früher Operation auf 60 %. Im Kollektiv der Männer ohne Hodenhochstand findet sich eine Fertilität von ca. 90 %. Wird der Hodenhochstand nicht operiert, sinkt die Fertilität und es erhöht sich das Risiko eines Hodentumors um Faktor 4. Besonders hohe Risiken haben nicht operierte beidseitige Hodenhochstände. Idealer Operationszeitpunkt des Hodenhochstands wäre der sechste bis 15. Lebensmonat. Tatsächlich wird meist später operiert. Lässt sich ein Hoden nicht finden, weder durch MRT noch Ultraschall, so kann operativ nach ihm gesucht werden, um ihn zu entfernen. Statistisch ist das gerechtfertigt.
Das akute Skrotum
Akuter Schmerz und Schwellung im Hodensack ist ein Notfall. Egal zu welcher Tageszeit: Nicht warten! Grund ist die Möglichkeit der Hodentorsion. Zur Behebung der Verdrehung bleiben nur sechs Stunden Zeit, danach bleibt der Hoden geschädigt. Ultraschall und Dopplersonografie klären die Entzündungs- und Schmerzursache und die Durchblutungssituation des Hodens. Kurzfristige Hodenschmerzen bei Jugendlichen sind häufig, vor allem nach Sport. Manchmal erfolgt bei häufigen Beschwerden die prophylaktische Fixierung eines oder beider Hoden.
Nebenhodenentzündungen
Bei akuten Schmerzen im Hodensack ist eine Nebenhodenentzündung möglich. Ursache sind bakterielle Infektionen oder Entzündungen im Rahmen rheumatischer oder immunologischer Krankheiten. Ohne Diagnostik lassen sich die Entzündungsursachen nicht unterscheiden. Manche Jugendliche haben chronisch wiederkehrende Beschwerden und eine erfolgreiche Therapie fällt schwer.
Die Varikozele (Venenerweiterung entlang des Samenstrangs)
Die Erweiterung von Venengeflechten um den Samenstrang oder Hoden ist häufig, aber selten im Kindesalter. Die Operation soll Fertilitätsproblemen abhelfen, erfolgt also nicht im Kindesalter.
Der Wasserbruch (Hydrozele)
Gut 2 % aller männlichen Neugeborenen zeigen eine angeborene Schwellung des Hodensacks mit Flüssigkeit darin. Meist verschwindet der Wasserbruch im ersten Lebensjahr spontan. Bei großer und anhaltender Hydrozele oder neuer Entwicklung wird operiert, denn meist findet sich ein Leistenbruch bzw. eine offene Bruchpforte. Die Operation gelingt in aller Regel.
Steinleiden in den ableitenden Harnwegen
Nierensteine sind bei Kindern nicht ganz selten (0,2 %). Ursache sind Medikamente, erhöhte Harnsäure und verschiedene metabolische Störungen. Es lohnen die Untersuchung des abgegangenen Steins und prophylaktische Maßnahmen falls möglich.