Vorwort

Neugeborene und Säuglinge

Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Behinderung, Erziehung, Förderung, Rehabilitation und ärztliches Handeln

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Gesundheitsprobleme bei Kindern nach dem Säuglingsalter

Ernährung und Verdauung

Essen

Im zweiten Lebensjahr scheint der Rhythmus von Hunger, Essen und Nahrungsmenge verloren. Einmal (zu) viel, einmal fast nichts, einmal nur das, dann alles zusammen; einmal unbedingt füttern lassen, einmal unbedingt alles selbst machen. Es können Essstörungen entstehen mit vielen kleinen Häppchen über den Tag und etlichen unberührten Tellerchen, bei sehr dünnem Kind und verzweifelten Eltern. Es begegnen uns die ersten übergewichtigen Kinder, die angeblich fast nichts und nur gesund essen und die wilden Räuber:innen, die immer Hunger haben und doch schlank sind. Was tatsächlich über den Tag in den Mund des Kindes findet, ist oft kaum nachvollziehbar.

Trinken

Im Gegensatz zu alten Menschen trinken gesunde Kinder entsprechend ihrem Bedarf, manche Kleinkinder aber auch entsprechend ihrer Gewohnheit, nämlich jede Nacht oft und viel mit voller Windel. Körper und Nieren stellen sich darauf ein, das Wasser rauscht komplikationslos durch. Etliche Eltern fürchten eine Krankheit und weil es sie gibt, kann ein Durstversuch in der Klinik nötig sein. Unter Kontrolle erhält das Kind kein Trinken und die Konzentrationsfähigkeit der Nieren wird getestet. Tatsächlich sind verschiedene, seltene, genetische oder erworbene Krankheiten möglich, meist aber sind die Kinder gesund und lieben die Flasche.

Schwerbehinderte Kinder sind oft gewohnt, mit wenig Trinken auszukommen. Wässrige Flüssigkeiten stellen hohe Anforderung an den Schluckakt, manchmal wird Wasser angedickt. Die vorgegebenen oder erwarteten Trinkmengen werden bei Weitem nicht erreicht, und das geht gut.

Bei Infektionen mit Fieber wird manchmal zu vielem Trinken geraten und das Kind genötigt. Ein Irrtum besonders bei Wenigtrinkern. Die Flüssigkeit bleibt im Körper und es entstehen ernste Probleme durch Überwässerung. Deshalb: Flüssigkeit anbieten, aber nicht erzwingen, und bei großer Unsicherheit wiegen. Bei Schwerbehinderung funktioniert Schema F wie so oft nicht.

Unwille gegen Stückchen oder Klümpchen in Brei oder Pudding

Einige Kleinkinder zeigen eine ungewöhnliche Empfindsamkeit gegenüber Klümpchen z. B. im Pudding. Endoskopische Schluckuntersuchungen ergeben keine Störung, indes eine Empfindlichkeit des Rachenraums. Es handelt sich nicht um eine Schluckstörung (Dysphagie) und nicht um ein Problem der Speiseröhre. Nicht selten berichten die Eltern, Joghurt mit Stückchen oder Pudding mit Klümpchen ebenfalls nur sehr ungern zu essen. Das Schlucken von Tabletten fällt besonders schwer.

Fluor und Karies

Zahnoberfläche, Zucker und Bakterien ermöglichen die Entstehung von Karies. Eine Rolle spielen Genetik, soziale Lage und Vorfahren mit Karies. Etwa 10 – 20 % der Kleinkinder entwickeln Karies, diese Gruppe erkrankt später deutlich häufiger an Karies der bleibenden Zähnen. Die Behandlung der Milchzahnkaries ist notwendig, auch in Hinblick auf die bleibenden Zähne. Unter drei bis vier Jahren geschieht dies regelhaft mit Narkose, später teilweise ohne – je nach Kind. Aus ganz unterschiedlichen Gründen können Kinder größte Ängste vor (Zahn-)Ärzt:innen entwickeln, sogar anhaltend bis ins Erwachsenenalter. Zähneputzen gelingt den Kindern präzise meist erst mit sieben bis acht Jahren. Bis dahin sollten die Eltern nachputzen, auch wenn das die „selbstständigen“ Kleinkinder nicht wollen. Fluor ist sehr wirksam gegen Karies, zu viel Fluor führt zu Nebenwirkungen. Regelmäßiges Zähneputzen ab dem ersten Zahn mit einer fluorhaltigen Zahncreme ist risikoarm und wirksam. Die Gabe von Fluortabletten wird kontrovers diskutiert. Karies kann auf die Zahnwurzel übergreifen und einen Zahnabszess auslösen mit dicker Backe, starken Schmerzen und Entzündungszeichen. Der Zahn muss behandelt oder gezogen werden und Penicillin und Clindamycin werden meist als Antibiotikum verordnet.

Schluckstörung

Schlucken ist ein komplexer Vorgang. Schritt 1 transportiert den Speisebrei vom Mund in die Speiseröhre – mit Kreuzung der Luftwege. Reflexe verschließen die Luftröhre mittels Kehldeckel während des Schluckens. Falls dieser Schritt misslingt, kann Nahrung in die Lunge gelangen (Aspiration). Lähmungen und Muskelkrankheiten können Ursachen sein, zudem eine Narkose, Hektik, Lachen und Reden beim Essen. Entzündungen oder Schwellungen von Zunge, Mandeln oder Rachen können das Schlucken schmerzhaft oder unmöglich machen. Zuletzt lassen die Kinder den Speichel aus dem Mund laufen, manchmal können sie den Mund nicht mehr richtig öffnen (Kieferklemme) und immer ergibt dies einen unbedingten Grund, sofort in die Klinik zu fahren. Kommt ein gut hörbares Geräusch bei der Einatmung hinzu (Stridor), so ist Eile geboten. Bekannt sind schwere Schluckstörungen bei Diphtherie, Pfeiffer’schem Drüsenfieber, Abszessen hinter den Mandeln, allergischen Reaktionen, Staphylokokken oder Streptokokkeninfekten. Früher war die Epiglottitis durch Haemophilus besonders gefürchtet – inzwischen ist sie durch Impfungen weitgehend verschwunden.

Schritt 2 führt die Speise durch die Speiseröhre in den Magen. Dies erfordert die gute Koordination von willkürlicher und unwillkürlicher Muskulatur. Koordinationsstörungen bei spastischen Lähmungen können sich auch erst im zweiten Lebensjahr zeigen. Schmerzhaftes Schlucken und ein anhaltendes Fremdkörpergefühl können psychische bzw. funktionelle Ursachen haben, dann spricht man vom Globus. Der sichere Ausschluss organischer Ursachen ist schwer. Es gibt viele mögliche Ursachen für Störungen der Speiseröhre und immer sind sie versteckt und schwer erkennbar.

Hunger und Sättigung

Hierfür gibt es ein Zentrum im Hypothalamus. Das Zentrum erhält Information vom Magen-Darm-Trakt, von diversen Hormonen und diversen anderen Hirnregionen. Bei Kleinkindern, die ohne Hunger rasch Gewicht abnehmen, führt man ein MRT durch (Hirntumorverdacht).

Erbrechen

Ein ausgesprochen komplexer Vorgang, das Zentrum hierfür findet sich im verlängerten Mark (Medulla oblongata). Erbrechen gelingt Säuglingen leicht, Kleinkinder oft bei banalen Infektionen, typisch initial bei Streptokokken, Durchfallerkrankung oder Mittelohrentzündung, später bei Migräne, Ketonämie durch Fasten oder Infekt, Vergiftung, Entzündung im Bauchraum, Hirnentzündung (Meningitis, Encephalitis), Speiseröhrenentzündung oder Reflux.

Medikamente gegen Erbrechen sind umstritten. Sehr effektiv ist Ondansetron. Die Schmelztablette (0,2 – 0,4 mg/kg) wirkt binnen fünf Minuten, macht nicht müde. Das Medikament kann in hoher Dosis eine QT-Verlängerung auslösen, wir geben deshalb immer nur einzelne Tabletten ab. Die Therapie ist seit Jahren Standard in den angelsächsischen Ländern. Dimenhydramin dagegen verwenden wir nach zwei Zwischenfällen in der Praxis nicht mehr.

Durchfall

Durchfall meint Verlust von Wasser und Elektrolyten über den vermehrten Stuhlgang. Der Dünndarm resorbiert vor allem Wasser und Elektrolyte. Erkrankungen des Dünndarms verursachen die raschesten Wasser- und Elektrolytverluste. Dickdarmentzündungen produzieren Schleim und Blut, verursachen Schmerzen und heftigen Stuhldrang (Dysenterie).

Bauchschmerzen

Verursacht durch organische Krankheiten können sie so heftig oder leicht erscheinen wie funktionelle Bauchschmerzen ohne fassbare Ursache. Die Schwere der Bauchschmerzen ist kein Trennkriterium. Deshalb hat sich ein festes Schema an Diagnostik etabliert, um mit einer gewissen Sicherheit wichtige Krankheiten nicht zu übersehen:

Einige Krankheiten werden auf den nächsten drei Seiten aufgeführt:

Schlechte Futterverwertung und Mangelkinder

Kleinkinder können die Wahl der Nahrungsmittel stark einschränken, kaum etwas essen und ebenso wenig Gewicht zunehmen: kein Gemüse, kein Obst, dafür nur Milch, Nudeln ohne Soße, Nutellabrot und Saft. Die Mühen und Angebote sind reichlich, die Akzeptanz bleibt frustrierend. Die allermeisten dieser Kinder wachsen trotzdem, wirken gesund und zeigen im Labor keinen Mangel. Manche leiden an grün-breiigen Durchfällen mit unverdauter Nahrung (Fertiggetränkeliebhaber:innen), andere an dunklen Augenringen, sichtbaren Rippen und Dornfortsätzen und nur marginal ausgeprägter Muskulatur. Wichtig ist die Längenwachstumskurve der Kinder. Die sinnvolle Diagnostik ist schwierig, da es einerseits seltene, aber ernste Krankheiten gibt, andererseits die erhobenen Befunde fast immer unauffällig sind.

Die eosinophile Ösophagitis

Kinder mit starker Allergieneigung, gesicherter Nahrungsmittelallergie und hohem Immunglobulin E können eine chronische Speiseröhrenentzündung mit vielen eosinophilen weißen Blutkörperchen in der Darmwand entwickeln. Die eosinophilen Granulozyten enthalten Histamin und verursachen Entzündungen. Ein Reflux besteht nicht. Die Diagnose bedarf der Endoskopie und Biopsie von Speiseröhrengewebe mit Nachweis der Zellen und kann bereits im Vorschulalter gestellt werden. Es bewährt sich, die sechs Hauptallergene Kuhmilch, Ei, Nuss, Soja, Fisch und Weizen wegzulassen. Hilfreich sind Cortisonsprays und Protonenpumpenhemmer.

Pilzbesiedelung der Speiseröhre

Passiert vor allem durch Candidapilze, die auch den Soor bei Säuglingen auslösen können. Es kommt zu einer schmerzhaften Speiseröhrenentzündung, gehäuft bei Kindern mit langen Antibiotikabehandlungen, Chemotherapie oder Abwehrschwäche. Entzündungshemmer (Azetylsalizylsäure, Ibuprofen, Naproxen), Vitaminsäfte und Eisenpräparate können ebenfalls eine Speiseröhrenentzündung auslösen (immer essen und trinken nach Einnahme).

Darmlähmung (Ileus)

Falls die Darmbewegungen aus verschiedenen Gründen stoppen, kommt es zur Aufblähung des Bauchs, zunehmender Flüssigkeit im Darm und Schmerzen. Die Darmgeräusche werden spärlich, ändern sich, Übelkeit und Erbrechen treten auf, dann eine Darmentzündung. Ein medizinischer Notfall! Ursachen sind mechanische Hindernisse wie Verwachsung, Darmverschlingung, Tumor oder Fremdkörper, um sich greifende Entzündungen (Appendizitis, Colitis), Verletzungen oder eine Lähmung von Darmmuskulatur oder -nerven. Oft wird eine dringende Operation nötig.

Helicobacterkrankheiten

Vor etlichen Jahren wurde als Ursache der sogenannten Magengeschwüre ein bakterieller Erreger namens Helicobacter pylori gefunden. Aktuell wird nun deutlich, dass auch Kinder häufig betroffen sind und sie eigentlich immer Symptome entwickeln. Helicobacterpositive Kinder zeigen eine chronisch aktive Gastritis oft mit Bauchschmerzen, Eisenmangel und Wachstumsstörungen. Helicobacter gilt als karzinogen (krebserregend) kann über die Jahre Magentumore auslösen. Der Keimnachweis gelingt mit einer Stuhlprobe und ist sehr sicher. Die Therapie besteht zurzeit aus Amoxicillin, Clarithromycin und Metronidazol und ist herausfordernd, da sie zehn bis 14 Tage dauert und viele Medikamente einzunehmen sind, die nicht schmecken. Es kommen Therapieabbrüche vor. Auch deshalb gilt: Unbedingt nach zwei bis vier Wochen Stuhlkontrolle! Zusätzlich werden über zwei bis vier Wochen Protonenpumpenhemmer gegeben. Leider gibt es Resistenzen und die Therapie kann trotz perfekter Einnahme versagen.

Darmentzündungen

Nach mehr als zwei Wochen Bauchschmerzen, Schleim und Blut ohne Nachweis von Erregern vermutet man eine Colitis (Darmentzündung). Nicht selten kommen ganz andere Krankheitszeichen hinzu wie Gelenkentzündungen, Hautveränderungen, Lungenerkrankung oder Augenentzündung. Diagnostisch erhöhtes Calprotectin im Stuhl, verdickte Darmwände im Ultraschall, Entzündungszeichen im Blut und manchmal Antikörper gegen verschiedene Darmbestandteile. Für die korrekte Diagnose bedarf es einer Gastroenterologie. Meist lautet die Diagnose zuletzt Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Die Diagnose kann schwerfallen, Familien berichten von Irrtümern und Irrfahrten.

Die Zöliakie

Fast 1 % der Bevölkerung ist betroffen, Krankheitsbeginn oft im Kleinkindalter, nicht alle wissen es. Durch die inzwischen routinemäßig bestimmte Transglutaminase A haben wir in der Praxis ca. 50 Kinder mit dieser Diagnose identifiziert – und danach fast ebenso viele erwachsene Angehörige. Nur manchmal fanden sich die typischen Zöliakiezeichen wie geblähter Bauch, große Stuhlmengen, Gewichtsverlust, schlechtes Befinden, schlechte Stimmung. Eisenmangel, Vitamin-D-Mangel, Kleinwuchs, Müdigkeit, Verstopfung, Lungenprobleme oder anscheinend keinerlei Symptome werden berichtet. Die Zöliakie kann begleitet werden von Arthritis, verzögerter Pubertät, Osteoporose, Nervenschäden, Krampfanfällen, Leberwerterhöhungen und Zahnschäden. Kinder mit Trisomie 21, Diabetes und Turner-Syndrom zeigen ein erhöhtes Risiko. Unter glutenfreier Diät zeigten auch die scheinbar gesunden Kinder eine bessere Stimmung, mehr Kraft, mehr Ausdauer, weniger Infekte. Die Diät lohnt unbedingt. Die Umsetzung der Diät gelingt mit einer perfekten Zöliakiefamilie aus der Praxis, die Eltern und Kinder (unentgeltlich) berät und schult. Sie findet versteckte Glutenquellen (z. B. in Salatdressings und Suppen); dagegen schneiden die Ernährungsberatungen regional bislang schlecht ab.

Die Laktoseintoleranz

Die angeborene Laktoseintoleranz im Säuglingsalter gibt es praktisch nicht (50 Fälle weltweit). Laktosereduzierte Säuglingsnahrungen ergeben keinen Sinn, außer nach Durchfall mit Dünndarmschädigung. Ab dem dritten Lebensjahr nimmt die Laktaseaktivität im Darm ab, ab dem Schulalter werden Laktoseintoleranzen möglich. 15 % der europäischen und nordamerikanischen Bevölkerung werden intolerant und 85 % der afrikanischen Bevölkerung (die Mehrheit der Erwachsenen weltweit ist laktoseintolerant). Es gilt: Käse geht immer, Joghurt meist doch, Milch geht nimmer. Wenige reagieren bereits auf kleine Laktosemengen, z. B. in der Tablettenpressmasse.

Die Fruktoseintoleranz

Größere Obst- oder Fruchtsaftmengen erzeugen Durchfall. Auch andere Zuckerarten können Beschwerden auslösen. Betroffene Kinder meiden meist Süßigkeiten und die Diagnostik ist bei älteren Kindern gut möglich.

Seltene Darmkrankheiten durch Verwertungsstörungen

Aufnahme und Verarbeitung aller Nahrungsbestandteile können gestört sein: Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine, Mineralien. Die Genetik hilft inzwischen weiter, die Diagnostik ist sehr aufwendig, gelingt meist nur in Zentren. Diesen vielen, sehr seltenen Krankheiten stehen die zahlenmäßig weit häufigeren, funktionellen Darmkrankheiten gegenüber.

Funktionelle Magen-Darm-Krankheiten

Wenn sich kein organischer Zusammenhang findet, kein auffälliges Labor, die Untersuchungen unergiebig verlaufen, „alles“ ausgeschlossen wurde (was niemals gelingt), dann sind die Beschwerden funktionell? Für die betroffenen Familien meistens nicht. Die Diagnose einer funktionellen Magen-Darm-Krankheit soll jedoch nicht erst am Ende einer langwierigen Ausschlussdiagnostik erfolgen sagt die Wissenschaft, denn die Untersuchungen sind belastend, teuer und sie konkurrieren mit der Behandlung der „wirklich“ kranken Kinder.

Ursächlich für funktionelle Magen-Darm-Krankheiten gelten Störungen der Hirn-Darm-Achse, eine Dysbiose mit Störungen im Mikrobiom (Fehlbesiedlungen durch falsche oder ungut gewichtete Darmbakterien, Darmviren oder Pilze), seelische Traumata, Stress und psychische Erkrankungen. Auffallend sind familiäre Häufungen, also entweder Genetik, Umweltaspekte oder beides, auch Krankheit kann man lernen. Anhand der Beschwerdeintensität lassen sich funktionelle Magen-Darm-Krankheiten nicht von organischen Beschwerden abgrenzen! „Funktionell“ steht nicht für „leicht oder banal“.

Die erfolgreichen Heilungsmethoden bei funktionellen Beschwerden können ungewöhnlich sein, also verschiedenste Medikamente, Diäten, Pilgerreisen, Betten verschieben, Ortswechsel, Partner:innenwechsel, Schulwechsel, Ärzt:innenwechsel. Der vermutete Abwertungsgehalt des Begriffs „funktionell“ als „eingebildet“ oder „psychisch“ löst im Gegenzug die Abwertung der so argumentierenden Helfer:innen aus als einseitige Organ- und Schulmediziner:innen. Bei Kopf- und Bauchweh entsteht rasch ein Streit um die Definitionsmacht über das Leid.

Schmerz ist subjektiv, die Empfindung bleibt unteilbar und nicht relativierbar. Funktionelle Beschwerdebilder können nur wenig auf Schmerzmittel reagieren – oder ganz ausgezeichnet. Sehr häufig funktioniert Ablenkung durch intensive Tätigkeiten. Da unser Bewusstsein gleichzeitig nur einen Gedanken bearbeiten kann, vermag man funktionelle Schmerzgefühle wegzutanzen, wegzuklettern, wegzumusizieren, sie „einfach“ zu verlassen. Entspannung, Ruhe, Achtsamkeit und Nachdenken können Beschwerden leider auch mal verstärken. Bei jungen Kindern gilt es, Eltern das Nachdenken zu verbieten. Statt Hand auflegen also Ball spielen, statt Wärmeflasche Tischtennis, statt Herumtragen ab auf den Spielplatz: keine Internetmedizin, keine weitere Expert:innenrallye.

Über die Zeit brennen sich Schmerz und Beschwerdebild in das Denken und Erleben ein und es bleibt nur das Arrangement mit den Beschwerden als treue Begleiter. 7 % der Bevölkerung leiden an einem Schmerzsyndrom, weit mehr an jahrzehntelangen somatoformen Störungen: Kopf, Rücken, Bauch. Nicht selten liegt der Beginn im frühen Kindesalter.

Als funktionelle Darmkrankheiten gelten:

Die Differenzialdiagnosen sind jeweils umfangreich und zuletzt gelingt verständlicherweise keine definitive Beweisführung oder Bestätigung. Nur der Erfolg der Therapie gibt recht.

Die Appendizitis (Wurmfortsatz- bzw. Blinddarmentzündung)

Bis zu 7 % aller Kinder werden daran operiert. Es ist weiterhin eine problematische Krankheit bezogen auf Diagnostik und Therapie. Etwa 20 % der Operationen finden keinen entzündeten Appendix und weitere 20 – 30 % finden bereits eine Perforation, also ein Durchbrechen der Entzündung in den Bauchraum, teils „gedeckt“ durch umgebendes Gewebe, teils „offen“ als beginnende oder diffuse Bauchfellentzündung (Peritonitis). Bei Kindern unter drei Jahren ist die Perforation die Regel (bis zu 90 %). Bei tapferen Kleinkindern werden selbst bei Peritonitis nicht immer drastische Symptome offensichtlich.

Die Appendizitis beginnt oft während oder nach einem Virusinfekt oder einer Durchfallerkrankung. Die Labordiagnostik kann initial unauffällig bleiben. Die ersten Stunden Müdigkeit, kein Hunger, Bauchdruck, danach langsam zunehmend Bauchweh, mehr im rechten Unterbauch. Verschiedene Score-Systeme versuchen, die wichtigsten Kriterien zu gewichten: lokaler Schmerz, Schmerz beim Hüpfen, Erbrechen und Fieber sind die klinischen Leitschienen.

In den USA erhalten Kinder mit dringendem Appendizitisverdacht präoperativ Antibiotika – mit guten Studien als Grundlage dafür, in Deutschland nicht. Die Hoffnung, der Ultraschall wäre sehr zuverlässig, hat nicht getragen. Die Operation gelingt meist minimalinvasiv. Bei später Operation mit Peritonitis wird ein Bauchschnitt nötig.

Enddarmkrankheiten

sind schmerzhaft und belastend und man ist froh, wenn sich jemand kompetent darum kümmert. Proktolog:innen sind für die letzten Zentimeter unseres Magen-Darm-Traktes zuständig und für Kinder gibt es sie nicht. Wenige Zentren verfügen über eine besondere Expertise.

Enddarmrisse (Fissuren) sind meist Folge von hartem Stuhlgang und Verstopfung. Sie tun weh, können bluten und verstärken nicht selten die Obstipation. Man kann sie sehen und es gibt Cremes mit geschicktem Adapter für die lokale Anwendung gegen Schmerz und Entzündung. Entscheidend sind die Stuhlweichmacher (Makrogole), zweimal täglich über lange Zeit (Monate).

Akuter Schließmuskelkrampf, ein heftiger Schmerz des Schließmuskels, kann mitten aus dem Schlaf, meist frühmorgens entstehen, wie eine Muskelverkrampfung. Es findet sich keine andere Ursache, die warme Badewanne hilft.

Abszesse um den After (Analabszesse) entstehen bei Säuglingen gehäuft, seltener bei Kleinkindern, oft spontan und ohne jeden Grund. Bekannte Ursachen sind Morbus Crohn (Darmentzündung mit Fistelgang), HIV, Tuberkulose, Aktinomykose (bakterielle Erkrankung bei Abwehrschwäche oder schwerer Karies), Fehlbildungen und Fremdkörper. Sie werden in Kurznarkose eröffnet, meist folgt eine gute und rasche Heilung (mit einem Antibiotikum dazu).

Hämorrhoiden kommen auch bei Kindern vor, vor allem bei Verstopfung. Die Thrombose einer solch erweiterten Vene führt zu akuten und heftigen Schmerzen, die Blutung zu hellem, frischem Blut. Sitzbäder, spezielle Cremes, Stuhlweichmacher, manchmal verbesserte Stuhlgangtechnik folgen nach.

Darm- oder Schleimhautvorfall (Analprolaps) betrifft meist Säuglinge und Kleinkinder auch ohne Vorerkrankungen. Nach dem ersten Schreck über die ausgelagerten Innereien durch den Schließmuskel bewährt sich das sanfte und kontinuierliche Zurückschieben von Schleimhaut oder Darm mithilfe von etwas Toilettenpapier – beim möglichst entspannten Kind (tut praktisch nicht weh). Das Papier darf am Darm kleben bleiben. Der Analprolaps tritt gehäuft auf bei Kindern nach Operationen am Enddarm (Analatresie), Lähmungen durch Wirbelsäulenfehlbildungen (Spina bifida), Mukoviszidose, Colitis oder Enddarmentzündungen (Parasiten).

Leistenbrüche und Wasserbrüche (Hernien)

1 – 4 % aller Kinder sind irgendwann betroffen; Frühgeborene und Jungen weit mehr als Mädchen. Die Hoden wandern in einer Ausstülpung des Bauchfells wie in einem Handschuhfinger durch die Leiste und den Leistenkanal in den Hodensack. Verschließt sich die Ausstülpung komplett, ist alles gut, bleibt sie zur Bauchhöhle offen, kann ein Wasserbruch entstehen. Rutscht Darm hinterher, so ist es ein Leistenbruch. Ultraschall kann den Inhalt definieren helfen. Wasserbrüche können spontan verschwinden, vor allem bei Säuglingen, Leistenbrüche in der Regel nicht; sie werden operiert. Zwängt sich Darm durch die Bruchpforte, so entstehen Schmerzen und es kann eine Einklemmung mit Entzündung entstehen. Die hartnäckige Einklemmung ist ein Notfall (in die Klinik), ein Leistenbruch mit Beschwerden erfordert das Zurückschieben des Darms. Autofahren hilft manchmal gut, um den Bruch wieder zurückzubekommen: Etliche Kinder werden im Auto ruhig und die Vibration verhilft dem Darm, zurück in die Bauchhöhle zu kommen. Sonst helfen ein Beruhigungsmittel und ein:e kundige:r Ärzt:in. Bei Mädchen kann ein Eierstock in den Bruchsack gelangen und als kleine Linse unter der Haut tastbar bleiben (Operation dringend). Bei Frühgeborenen ist der richtige OP-Zeitpunkt strittig. Entscheidend ist die gute und sichere Anästhesie. Die Narkoserisiken gelten ab dem zweiten Lebensjahr als nicht mehr erhöht, bei sehr kleinen Kindern braucht es viel Erfahrung und teure Technik für ausreichend Wärme und gute Narkosen.

Bauchspeicheldrüsenentzündungen (Pankreatitis)

Das Kind klagt über Oberbauchschmerzen, erbricht und zieht die Beine an, also eine völlig unspezifische Symptomatik. Bei schwerem Verlauf: Fieber, heftiges Krankheitsgefühl und Kreislaufstörungen. Im Ultraschall zeigt sich meist ein echoarmes und verbreitertes Pankreas, im Blut erhöhte Lipase (und Amylase). Leichte Bauchspeicheldrüsenentzündungen entgehen oft der Diagnose. Therapeutisch wird nicht viel versäumt, bei leichter Entzündung heilt Abwarten. Gallensteine, Medikamente, Würmer, Bauchverletzungen. Darmentzündungen, Infektionen durch Viren und Bakterien, Gallenwegsmissbildungen, genetische Ursachen werden gesucht. Extrem schwere Verläufe sind auch bei Kindern möglich, vor allem nach Gallensteineinklemmung oder Unfällen. Die Therapie hat sich gewandelt: weg von der Operation und hin zu frühem Essen sowie präziser Infusionsbehandlung.

Leberentzündungen (Hepatitis)

Die früher lebensgefährlichen und häufigen Virushepatitisformen haben viel vom einstigen Schrecken verloren, aber es gibt sie noch und andere Krankheitsgruppen gewinnen an Bedeutung. Gegen Hepatitis A und B kann geimpft werden, die Hygiene ist heute besser (Hepatitis A und E) und die chronischen Verläufe der Virushepatitis B und C werden beherrscht. Ins Blickfeld geraten daher andere Viren, die Hepatitis auslösen (Herpes, Zytomegalie, Ringelröteln, Epstein-Barr, Enteroviren, Adenoviren, Röteln, HIV, Arboviren) und nichtinfektiöse Ursachen der Leberentzündung wie Medikamente, Autoimmunkrankheiten, Stoffwechselstörungen, Vergiftungen, Zöliakie, anatomische Störungen, Gallensteine und Tumore. Eine Hepatitis verläuft wenig vorhersehbar, nicht gleichförmig, erfordert Respekt und Begleitung, Zuversicht, Vorsicht und geplantes Risikomanagement, manchmal wird es kompliziert. Wie aber können Sie Lebererkrankungen zu Hause erkennen? Ganz entscheidend ist das Bemerken einer Gelbsucht und eine Blutabnahme mit Labordiagnostik. Denn nicht jede Leberentzündung macht gelb und nicht jede Gelbsucht ist Folge einer Leberentzündung.

Gelbsucht (Ikterus)

Die Gelbfärbung von Haut und weißen Anteilen des Augapfels wird als Gelbsucht oder Ikterus bezeichnet. Grund ist eine erhöhte Bilirubinkonzentration im Körper. Bilirubin ist das Endprodukt des Abbaus von Hämoglobin (dem roten Blutfarbstoff). Bilirubin wird in der Leber wasserlöslich gemacht und über die Gallenwege ausgeschieden. Wird viel Bluthämoglobin abgebaut, so steigt der Bilirubinwert ganz ohne Hepatitis und wir werden gelb (Neugeborenenikterus oder akute Blutkrankheiten mit Hämolyse, z. B. Sichelzellanämie, Kugelzellanämie). Wird Bilirubin unzureichend wasserlöslich gemacht (Stoffwechselschritte sind nötig), steigt die Konzentration von unkonjugiertem bzw. indirektem Bilirubin im Blut. Gelingt die Ausscheidung in die Gallenwege nicht gut (Transportschritte), steigt die Konzentration an konjugiertem oder direktem Bilirubin. Beide Teilschritte der Leberfunktion können harmlose Störungen mit leichter Gelbsucht erfahren (Gilbert-Syndrom, Morbus Meulengracht) die sich genetisch präzise diagnostizieren lassen.

Gesunde Kinder, besonders Jugendliche, können bei Fasten, Fieber, Infekten oder spontan ein wenig gelb werden – ohne relevanten Krankheitswert – und das Umfeld erschrecken. Aber es gilt, jede Gelbsucht und jeder Hepatitis Verdacht wird (zumindest einmal) abgeklärt.

Bezogen auf die Leber stellen sich dann drei Fragen:

Gemeinsam mit Ultraschall, Klinik und weiteren Daten folgen die Entscheidungen: Bei leichten und klaren Krankheiten reicht ambulante Betreuung und weitere Diagnostik; bei schweren oder unklaren Krankheiten wird stationäre Diagnostik oder gar ein großes Zentrum mit Lebertransplanterfahrung nötig. Es folgen die Beschreibungen der Erkrankungen am Ende der manchmal nicht einfachen Diagnostik.

Hepatitis A

Hepatitis A ist in jedem Land möglich, in Entwicklungsländern weit häufiger, entsprechend Teil der Impfempfehlungen bei zahlreichen Auslandsreisen (trotz der fehlenden Impfempfehlung und Übernahme der Impfkosten durch die gesetzliche Krankenversicherung bei uns). Junge Kinder zeigen vermehrt leichte bis asymptomatische Verläufe, oft nur wenig Durchfall und ohne Gelbsucht. Da sehr ansteckend, sind Kleinepidemien möglich und die Krankheit ist meldepflichtig. Die Inkubationszeit dauert ca. drei Wochen, die Virusausscheidung beginnt vor jeglichem Krankheitssymptom, endet manchmal erst zwei Wochen nach Ende der Erkrankung. Schulkinder und Jugendliche erkranken schwerer mit Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und oft Gelbsucht. Die Diagnose gelingt im Blut durch Antikörpernachweis. 1 % der Kinder zeigen einen schweren Verlauf (Erwachsene 3 %). Leberversagen ist möglich, chronisch wird die Krankheit nie, manchmal aber langwierige Beschwerden mit Müdigkeit. Impfungen sind offiziell ab einem Jahr möglich, praktisch ohne Nebenwirkungen, 90 % Schutz nach der ersten Spritze, 100 % nach der zweiten. Rasche Impfung nach Hepatitis-A-Kontakt verhindert die Krankheit.

Hepatitis B

Hepatitis B verläuft schwerer als Hepatitis A. Erneut werden Säuglinge und Kleinkinder selten schwer krank oder bleiben trotz Infektion ohne Symptom. Die Übertragung erfolgt unter der Geburt, durch Blut, in Kinderkrippen und im Haushalt. Die Erkrankung beginnt, falls erkennbar, nicht selten mit ungewöhnlichen Symptomen wie Hautveränderungen oder Gelenkentzündungen, danach beginnt die Hepatitis (Labor), dann erst die sichtbare Gelbsucht (nicht immer). Leberversagen ist selten, dann aber mit 30 % Sterblichkeit. Erkrankt ein Säugling an Hepatitis B, verläuft die Krankheit zu 90 % chronisch, bei Kleinkindern 30 %, bei Schulkindern und Jugendlichen 5 %, bei Erwachsenen 2 %. Die chronische Hepatitis B führt neben der Lebererkrankung zu weiteren Gesundheitsrisiken. Neue Therapien gegen chronische Hepatitis B sind inzwischen möglich. Ohne Therapie verläuft die Krankheit stark lebensverkürzend. Gegen Hepatitis B wird früh geimpft mit zuverlässigem Schutz (in der Sechsfachimpfung enthalten).

Hepatitis C

Variante C verursacht nur eine leichte akute Hepatitis (wenn überhaupt), zeigt aber besonders oft einen chronischen Verlauf mit schwerem Leberschaden (Leberzirrhose). Nach 25 Jahren Krankheit zeigen 25 % der Kinder mit Hepatitis C eine Zirrhose. Die frühe Diagnose kann fehlschlagen, Leberwerte können phasenweise fast normal sein, die Serologie ist eindeutig. Auch hier ist ein therapeutischer Durchbruch gelungen, um die chronische Krankheit zu stoppen, aber es gibt keine Impfung.

Hepatitis D

Die Erkrankung ist nur möglich, falls bereits eine Hepatitis B besteht. Sie verschlechtert die Prognose.

Hepatitis E

Variante E wird wahrscheinlich zu selten gesucht und zu selten gefunden. Verlauf ist schwerer als bei Hepatitis A, wird nicht chronisch, Übertragung erfolgt auch über verschmutzte Hände und Nahrungsmittel wie Hepatitis A. Kleinkinder sind kaum betroffen, Jugendliche eventuell schwer. Keine Impfung möglich.

Leberabszesse

Leberabszesse sind in Westeuropa selten und ein medizinischer Notfall. Erreger sind meist Staphylokokken im Rahmen einer Blutvergiftung oder bei abwehrschwachem, schwerkrankem Kind.

Systemische Entzündungen mit Hepatitis

Generalisierte Entzündungsprozesse können auch die Leber betreffen. Besonders bekannt bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, kommt auch vor bei Zöliakie. Glutenfreie Diät normalisiert die manchmal erhöhten Leberwerte bei Zöliakie zuverlässig.

Autoimmunhepatitis

Antikörper gegen Leberzellen oder Gallengangzellen führen hier zur chronischen oder akuten Entzündung. Teilweise lässt sich ein Regulationsdefekt der T-Lymphozyten nachweisen. Der Beginn ist schleichend, die Diagnose oft unsicher. Gelenke oder Blutbildung sind mitbetroffen, nicht selten ganz am Ende einer langen Ausschlussdiagnostik. Therapieerfolge mit Cortison!

Mukoviszidose und Leberentzündung

Im Rahmen einer Mukoviszidose kommt es durch Enzymdefekte des Chloridtransports an Zellmembranen auch zu einer Hepatitis und im Verlauf einer Leberzirrhose. Aktuell finden Genanalysen deswegen statt, da nicht alle Kinder mit Mukoviszidose diese Komplikation erleiden.

Leberentzündung durch künstliche Ernährung

Künstliche Ernährung über lange Zeit kann zu Leberentzündung und Gallestau führen. Bislang gibt es keine künstliche Ernährung, die diese Komplikation sicher vermeiden könnte, was ein gutes Indiz für die Bedeutung unseres Verdauungsapparats ist.

Leberschädigung durch Toxine und Medikamente

Die Leber ist unser wichtigstes Entgiftungsorgan – und manchmal wird sie überfordert: Alkohol, Plastikrückstände, Benzindämpfe, Schwermetalle, Pilze, Medikamente, Nahrungsmittel. Ein Teil der Schäden ist dosisabhängig (zu viel ist zu viel), ein Teil kommt überraschend und nicht vorhersehbar (vorbestehende Stoffwechselbesonderheiten). Die potenzielle Lebertoxizität findet sich in den allermeisten Beipackzetteln, bei Hustensäften, Pflanzenpräparaten, Tees, Hormonpräparaten. Oft wird zu Laborroutinen geraten (Antiepileptika), diese haben eher juristische Gründe. Wichtig ist die rasche Vorstellung eines Kindes unter medikamentöser Therapie bei unklaren klinischen Symptomen wie Gelbsucht.

Fettleberhepatitis

Übergewichtige Kinder mit Fettleber (per Ultraschall feststellbar) finden sich in praktisch jeder Praxis. Ein Teil davon zeigt im Labor die Zeichen einer Leberentzündung, damit inzwischen die häufigste Hepatitis bei Kindern. Etwa jedes dritte stark übergewichtige Kind ist betroffen. Hohe Triglyceride (Blutfette) und eine Insulinresistenz sind damit assoziiert (metabolisches Syndrom). Eine qualifizierte Ernährungsumstellung ist dringend angeraten.

Mitochondrienkrankheiten und Hepatitis

Die Mitochondrien sind die universellen Energielieferanten der Körperzellen. Sie sind in der Leber besonders zahlreich und besitzen ein eigenes genetisches Vererbungsmaterial. Defekte in den Mitochondrien lösen zahlreiche, seltene und enorm vielgestaltige Funktionsstörungen von Hirn, Leber und Muskel aus. Etliche Hundert Krankheiten, teilweise sehr selten, teilweise sehr schwer und abrupt beginnend, teilweise angestoßen durch Medikamente, Infekte, Narkosen, teilweise mit schwersten Behinderungen und akuten Todesfällen: neonatales Leberversagen, frühkindliche Epilepsien, Todesfälle nach Varizellen oder Influenza, Leberversagen nach Aspirin (Reye-Syndrom) oder Valproat (Valproat-Hepatopathie). Diagnostisch wird zur Genomanalyse geraten – ungern bzw. nicht bewilligt durch die Krankenkassen.

Morbus Wilson

Ähnlich komplex, unvorhersehbar und noch seltener als die Mitochondriopathien sind die Störungen des Kupferstoffwechsels. Die genetische Wissenschaft hat über hundert Störungen mit differentem Verlauf identifiziert. Gemeinsam ist die Tatsache, dass zu viel Kupfer den Körperzellen schadet, teils schnell, teils langsam und es stört vor allem Gehirn, Leber und Blutbildung. Die Hepatitis kann den Nervenschäden um Jahre vorausgehen und die Krankheit ist behandelbar. Besonders irritierend sind die frühen psychiatrischen Phänomene wie Depression, Wesensänderung und Ängste (Und welcher Jugendliche bzw. dessen Eltern beklagen sich darüber nicht?). Die Diagnostik fällt schwer, das Kupfertransportprotein kann aus diversen Gründen erniedrigt sein, die Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin gelingt nur mühsam, der Serum-Kupferwert hilft nicht viel, die typischen Augenveränderungen fehlen oft bei Kindern, die eigentlich hilfreiche Genetik ist teuer. Kupferarme Diät heißt: Keine Schokolade und keine Nüsse! Moderne Medikamente mit wenig Nebenwirkungen, um das Kupfer aus dem Körper zu entfernen, gibt es inzwischen. Etwas hilft Zink.

Gallensteine und Gallenblasenkrankheiten

Gallensteine vermutet man bei übergewichtigen, älteren Personen, aber wir finden sie zunehmend bei Säuglingen, Kindern und Frühgeborenen nach parenteraler Ernährung oder bestimmten Medikamenten, bei Blutbildungsstörungen, bei Adipositas und starker Genetik. Gallensteine bei Säuglingen können verschwinden, bei älteren Kindern eher nicht und bei Beschwerden muss die Gallenblase entfernt werden. Die Operation erfolgt meist endoskopisch. Statt Bauchschnitt und zwei Wochen Krankenhaus drei kleine Pflästerchen und nach zwei Tagen Entlassung. Wer die alten Zeiten noch kennt, die mühsame Operation, die postoperativen Beschwerden, ist begeistert über diesen Fortschritt. Manchmal wollen die Kinder oder deren Eltern die Steine und die Gallenblase behalten, aber meistens gibt es nach der ersten Schmerzattacke keine Ruhe mehr.

Ein Stau in der Gallenblase mit Beschwerden findet sich manchmal bei Kindern, die nicht essen wollen, dürfen oder können. In letzter Zeit war es die Streptokokkenangina, die neben Erbrechen und Nahrungsverweigerung auch eine leicht druckschmerzhafte Gallenblase ergab. Die orale Nahrungsaufnahme verhindert den Gallenblasenhydrops.

Freie Flüssigkeit im Bauchraum (Aszites)

Aszites meint zu viel freie Flüssigkeit im Bauchraum (meist eine sonografische Diagnose). Kleine Mengen Aszites (die sogenannte Pfütze im Douglasraum) findet sich bei Gastroenteritis, bei Appendizitis, nach stumpfem Bauchtrauma oder bei Zöliakie. Größere Mengen sind Folge von Herzinsuffizienz, Nieren- oder Leberkrankheiten, Hungerödemen, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Infektionen oder Tumoren. Gesucht und notwendig ist ein wenig Aszites bei Kindern mit Wasserkopf und Ableitesystemen in den Bauch (ventrikulo-peritoneale Shunts). Größere Mengen an ungeklärtem Aszites erfordern die stationäre Diagnostik und oft Punktion.

Bauchfellentzündungen (Peritonitis)

Die Entzündung des Bauchfells, der inneren Tapete des Bauchraums, ergibt einen akuten Notfall: Fieber, Erbrechen, Bauchweh und rascher Verfall, manchmal irritierend langsamer Puls. Der Hauptkeim der spontanen, bakteriellen und lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung, die Pneumokokken, ist Teil des Impfschemas und damit weitgehend verschwunden. Ausnahme sind besonders anfällige Säuglinge und Kleinkinder mit Sichelzellanämie. Sie erhalten einmal eine Antibiotikaprophylaxe, dann ein erweitertes Impfschema und schließlich die Maßgabe, bei Fieber schnell intensive Therapie zu beginnen. Die sogenannte sekundäre Peritonitis ist Folge eines anderweitigen Entzündungsprozesses, der sich in den Bauchraum ausbreitet. Klassisch die Appendizitis mit Durchbruch und zunehmender Bauchfellentzündung. Operation, Infusion, Antibiotika, Überwachung, längere, stationäre Leidenszeit und nicht selten Komplikationen früh und spät (Verwachsungen) führen zur intensiven Frage, ob man nicht anders und früher hätte handeln können oder müssen – die aber im Vorhinein schwer zu beantworten ist. Manchmal führt eine sogenannte basale Lungenentzündung zu sehr ähnlichen Symptomen im Bauch und man findet operativ nichts.